Diesseits vom Paradies
ausgearbeitetes Thesenpapier,
Sir, aus dem ich endlich verstand
[163] (durch Ihre gekritzelten Kommentare am Rand),
dass ich missachtet mit schnödem Blick
die ehernen Regeln der Kritik
zugunsten von Witz der billigsten Sorte
und mich bediente wohlfeiler Worte…
»Sind Sie sicher, dass das so geht?«
und
»Shaw ist keine Autorität!«
Doch unser Streber weiß, wie man’s richtig macht,
und hat es so zu Papier gebracht;
ihm können Sie Ihr Gefallen bekunden,
denn er treibt Wucher mit Ihren Pfunden.
Und immer wieder treff ich Sie…
wird Shakespeare gegeben, fehlen Sie nie,
und manch erloschner Stern, von Mottenfraß blind,
begeistert den geistigen Snob, der Sie sind…
Ein Radikaler tritt auf und schockiert mit Listen
den orthodoxen Atheisten? –
Sie sind der gesunde Menschenverstand,
mit staunendem Mund, doch vom sicheren Rand.
Und manchmal lockt Sie das Kirchentor,
Sie kehren den Toleranten hervor,
mit Ihrem strahlenden Wahrheitsbegriff an der Hand
(der sich auf General Booth beruft und auf Kant…).
So leben Sie von einem Schock zum andern,
blässlicher Jasager, auf hohlen Phrasen lässt sich’s wandern…
[164] Die Zeit ist um… es erheben sich vom Schlaf
einhundert Kinder und ein Schaf,
trampeln die letzten Worte mit den Füßen nieder
auf ihrem Weg ins Freie wieder…
vergessen auf der engen Stirn der Welt
das mächtige Gähnen, das Sie am Leben hält.
Im April verließ Kerry Holiday das College und fuhr auf einem Schiff nach Frankreich, um in die Lafayette Esquadrille einzutreten. Amorys Neid und Bewunderung für diesen Schritt gingen in einem eigenen Erlebnis unter, das er nie wirklich einordnen konnte, das ihn jedoch drei Jahre lang verfolgte.
Der Teufel
Um zwölf verließen sie das Healy und fuhren mit dem Taxi weiter zum Bistolary. Dabei waren Axia Marlowe und Phoebe Column von der Summer Garden Show sowie Fred Sloane und Amory. Der Abend war noch so jung, dass sie vor überschüssiger Energie schier aus den Nähten platzten und in das Café einbrachen wie dionysische Zecher.
»Einen Tisch für vier, genau in der Mitte hier«, gellte Phoebe. »Mach geschwind, hurra, sag Bescheid, wir sind da!«
»Sag ihnen, sie sollen ›Admiration‹ spielen«, schrie Sloane. »Ihr zwei bestellt schon mal; Phoebe und ich gehen derweil die Waden schwingen«, und schon segelten sie davon, mitten in den wilden Haufen hinein. Axia und Amory, seit [165] einer Stunde miteinander bekannt, drängelten sich hinter einem Kellner zu einem günstig postierten Tisch; sie nahmen dort Platz und schauten herum.
»Da ist ja Findle Marbotson aus New Haven!«, rief sie mitten in das Getöse. »He, Findle! Juhu!«
»Hey, Axia!«, schrie dieser zur Begrüßung zurück. »Komm doch rüber an unseren Tisch.«
»Nein!«, flüsterte Amory.
»Geht nicht, Findle, bin mit jemand anderem hier. Ruf mich doch morgen so gegen eins an!«
Findle, ein schwer zu beschreibender Salonheld des Hauses, antwortete irgendetwas Unzusammenhängendes und wandte sich wieder der aufregenden Blondine zu, die er gerade quer durch den Raum zu lotsen versuchte.
»Was für ein Affe!«, war Amorys Kommentar.
»Ach, der ist ganz in Ordnung. – Da ist ja der lausige alte Kellner. Ich krieg einen doppelten Daiquiri.«
»Bringen Sie vier.«
Die Menge wirbelte und drehte und schob sich in alle Richtungen. Die meisten Anwesenden kamen aus den Colleges, dazwischen der männliche Auswurf vom Broadway und zwei Sorten Frauen, die besseren davon waren Tanzgirls. Im Ganzen also eine typische Mischung, und die ganze Tanzveranstaltung war ebenso typisch. Ungefähr drei Viertel des ganzen Wirbels diente nur dem Effekt und war daher harmlos, endete am Ausgang des Cafés, und zwar früh genug, um noch den Fünfuhrzug nach Yale oder Princeton zu erwischen; etwa ein Viertel jedoch ging weiter bis in die trüben Morgenstunden und hinterließ seltsame Spuren von seltsamen Orten. Ihre Veranstaltung gehörte zu der [166] harmlosen Sorte. Fred Sloane und Phoebe Column waren alte Freunde, Axia und Amory neue. Doch seltsame Dinge können sich selbst mitten in der Nacht zusammenbrauen, und das Ungewöhnliche, auf das man in Cafés, diesen Horten des Alltäglichen und Ewig-Gleichen, am allerwenigsten gefasst ist, war bereits am Werk, Amory den verblassenden Zauber des Broadways gründlich auszutreiben. Die Weise, in der dies geschah, war so unsagbar schrecklich, so unglaublich, dass er daran nicht wie an ein Erlebnis zurückdachte; es war eher eine
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