Diesseits vom Paradies
solchen Typen hier aufkreuzen muss.«
Das also war Burne, hochfliegend humorvoll und zutiefst ernsthaft. Aus diesen Wurzeln war die Energie erwachsen, die er nun in Richtung Fortschritt zu lenken versuchte…
So vergingen die Wochen, der März kam, und der Pferdefuß, auf den Amory wartete, trat nicht in Erscheinung. Etwa hundert Junioren und Senioren traten schließlich in heiligem Zorn aus ihren Clubs aus, und die Clubs in ihrer Hilflosigkeit nahmen Burne mit ihrer schärfsten Waffe aufs [190] Korn: Sie machten ihn lächerlich. Jeder, der ihn kannte, mochte ihn – doch wofür er eintrat (und mit der Zeit trat er für immer mehr Dinge ein), geriet vielen Leuten in den falschen Hals, so dass ein Schwächerer als er sich längst geschlagen gegeben hätte.
»Macht es dir nichts aus, dass du an Prestige verlierst?«, fragte Amory eines Abends. Sie besuchten sich mittlerweile mehrmals in der Woche.
»Natürlich nicht. Was ist schon Prestige?«
»Manche behaupten, du seist einfach ein ziemlich origineller Politiker.«
Er brach in schallendes Gelächter aus.
»Das hat Fred Sloane heute zu mir gesagt. Ich fürchte, da muss ich durch.«
Eines Nachmittags schnitten sie ein Thema an, das Amory schon seit langem interessierte – die Frage nach der Wichtigkeit physischer Attribute für den Charakter eines Mannes. Burne hatte zunächst den biologischen Aspekt betrachtet und sagte dann: »Natürlich ist Gesundheit wichtig – ein gesunder Mensch hat doppelte Chancen, gut zu sein.«
»Da bin ich nicht deiner Meinung – ich halte nichts vom ›muskelstarken Christentum‹.«
»Ich schon – ich glaube, dass Christus über große Körperkraft verfügte.«
»O nein«, protestierte Amory, »dazu hat er zu viele Strapazen auf sich genommen. Ich denke mir, als er starb, war er ein erschöpfter Mann – und die großen Heiligen sind auch nicht stark gewesen.«
»Die einen waren’s, die andern nicht.«
»Gut, zugestanden, aber ich glaube nicht, dass [191] Gesundheit irgendetwas mit Moral zu tun hat; natürlich ist es für einen großen Heiligen von Nutzen, wenn er enorme Strapazen aushalten kann, aber diese Marotte der Volksprediger, die sich auf die Zehenspitzen stellen, den starken Mann markieren und lauthals verkünden, dass mit Freiübungen die Welt zu retten sei – nein, Burne, da kann ich nicht mit.«
»Lassen wir das lieber beiseite – es führt zu nichts, und außerdem bin ich selbst noch zu keinem Schluss gekommen. Aber eines weiß ich – die äußere Erscheinung hat eine Menge damit zu tun.«
»Du meinst die Haarfarbe?«, fragte Amory eifrig.
»Ja.«
»Das haben Tom und ich auch schon vermutet«, nickte Amory. »Wir haben uns die Jahrbücher der letzten zehn Jahre vorgenommen und die Bilder vom senior council angesehen. Ich weiß, du hältst nicht viel von dieser erlauchten Versammlung, aber sie repräsentiert nun mal den Erfolg im allgemeinsten Sinne. Nur schätzungsweise fünfunddreißig Prozent von jedem Jahrgang sind blond, wirklich hell – aber in jedem senior council sind zwei Drittel hellhaarig. Immerhin haben wir uns Bilder von zehn Jahrgängen angesehen; das heißt, dass jeder fünfzehnte Hellhaarige des Senior-Jahrs im council ist, dagegen von den Dunkelhaarigen nur jeder fünfzigste.«
»Es stimmt«, pflichtete Burne ihm bei. »Der Hellhaarige ist ein höherstehender Typ, allgemein gesprochen. Ich hab mir mal die Präsidenten der Vereinigten Staaten vorgenommen und dabei herausgefunden, dass weit mehr als die Hälfte von ihnen hellhaarig war – und bedenk dabei, wie sehr im Volk die Zahl der Brünetten überwiegt.«
[192] »Unbewusst denken die Leute so«, sagte Amory. »Von einem blonden Menschen erwartet man, dass er etwas zu sagen hat. Wenn ein blondes Mädchen nichts zu sagen weiß, nennen wir sie ›Puppe‹; einen schweigsamen blonden Mann hält man für dumm. Aber die Welt ist voll von ›schweigenden dunklen Männern‹ und ›trägen Brünetten‹, die keinen Funken Verstand haben, was ihnen aber nicht angekreidet wird.«
»Und der breite Mund, das ausgeprägte Kinn und die ziemlich große Nase sind ohne Zweifel Kennzeichen des edlen Gesichts.«
»Da bin ich mir nicht sicher.« Amory war mehr für die klassischen Gesichtszüge.
»Oh, doch – ich zeig’s dir«, und Burne zog aus seinem Schreibtisch eine Sammlung von Fotografien bärtiger, zerzauster Berühmtheiten – Tolstoi, Whitman, Carpenter und andere.
»Sind sie nicht wundervoll?«
Amory versuchte höflich, ihnen etwas
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