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Dihati Qo – Die, die sind

Dihati Qo – Die, die sind

Titel: Dihati Qo – Die, die sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Maximilian Spurk
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bis ihre Lungen brannten und dann noch ein Stück weiter. Sie hatten den Wald hinter sich gebracht und überquerten eine Wiese. Norak brach keuchend zu Boden. Eric stoppte seinen Lauf und sah sich nach ihm um.
    »Ich kann nicht mehr, Eric.« Noraks Lippen verzogen sich zu einem gequälten Oval. Er hielt sich die Seite. »Tut mir leid.«
    »Du musst auch nicht weiter. Ich kann keine Verfolger ausmachen.«
    »Glaubst Du, er hat es geschafft? Kann er sie aufhalten?«
    »Solange seine Pfeile reichen, oder bis sie seine Stellung an den Seiten umlaufen und ihm in den Rücken fallen.«
    »Wie lange hält er das wohl durch?«
    Die Antwort folgte prompt. Ein Schrei echote aus dem Wald über die Wiese; ein Schrei, dessen schmerzerfüllte Grausamkeit ein Loch in ihre Herzen riss. Dann endete er abrupt. Die Bäume des Waldes standen starr wie Grabsteine vor ihnen. Stille breitete sich aus. Norak und Eric erschauerten.

10
    »Wohin jetzt, Norak? Wir müssen von diesem Wald weg, so schnell wie nur möglich.«
    Norak überlegte nicht lange. »Nach Hause. Du hattest recht. Wir müssen ihnen helfen. Wir müssen sie warnen und erzählen, was vorgefallen ist. Und Elgrim könnte wissen, was es mit den Feuerhöhlen auf sich hat.«
    Eric nickte. Sie hatten eine Menge durchgemacht. Jetzt musste er nach Hause, seinen Eltern zur Hand gehen. Dieser Gedanke spendete ihm ein wenig Trost.
    * * *
    Der Rückweg zu ihrem Dorf war ereignislos. Den Reitern gingen sie aus dem Weg, wie es Tobin sie gelehrt hatte. Ansonsten trafen sie auf keine ernste Bedrohung.
    In der Nähe ihres Dorfes steuerten sie sogleich die Verstecke im Wald an. Kein Zwitschern. Norak blieb stehen. Falsch! Seine Nackenhaare stellten sich auf. Das Ganze war falsch. Die Vögel sangen nicht. Die Insekten summten hörbar. Und die Späher. Wo waren die verdammten Späher? Elgrim hatte bestimmt welche ausgesandt.
    Norak sammelte Magie. Eric zog Schwert und Axt. Die beiden waren erschöpft. Die Schneide des Schwerts gezackt, der Holzgriff der Axt gesplittert. Doch ihr Wille war die geschärfte Klinge eines Meisterschmieds.
    Sie tasteten sich weiter. Nichts war zu hören. Es knackte. Eric schnellte mit dem Kopf herum. Ein Knarren. Er konnte es nicht orten. War es ein Tier? Ein Mensch? Stille. Selbst auf einem Friedhof war es lauter.
    Der Wind drehte und blies ihnen ins Gesicht. Verwesungsgeruch kroch bittersüß in ihre Nasen. Sie rannten.
    * * *
    Sie erreichten die Höhlen. Eric rannte durch den Eingang. Seine Augen prallten gegen das Grauen wie gegen einen Granitblock. Kinder, Frauen, Männer – es gab keine Unterschiede. Seine Stiefel standen in einer roten Pfütze. Glieder, Köpfe und Rümpfe sprenkelten in einem grässlichen Mosaik den Boden. Unsichtbare Hände knüllten seinen Magen zusammen wie einen Bogen Papier. Er schmeckte die Süße der Verwesung, das Salz seiner Tränen und die Bitterkeit seiner Galle. Er wollte seine Augen abwenden, doch der Schrecken hielt sie in seinem Zangengriff.
    »Eric.« Die Stimme, die brach und einem Krächzen glich, gehörte seinem Freund. Widerwillig gehorchte sein Körper seinem Willen. Er drehte sich zu Norak um, der vor der Höhle stand. Norak starrte in die Baumwipfel. Eric folgte seinem Blick. Der Rest des Dorfes befand sich dort – erhängt. Die Reiter waren zurückgekehrt. Sie hatten ihr blutiges Werk vollendet.
    Ihre Beine und Arme fingen an zu zittern. Ihre Kiefer schnappten aufeinander. Tränen rannen über ihre Wangen. Eric brüllte seine Ohnmacht heraus. Norak presste die Zähne aufeinander. Seine Fäuste quetschten die Knöchel weiß. Die Wut gab die Kontrolle nur langsam wieder preis.
    Eric schnaufte. »Das Taranus-Gebirge, ja?«
    Norak brauchte nicht zu antworten.

11
    Ihr Weg war lang und beschwerlich. Obwohl sie sich in den Überresten des Dorfes mit Proviant versorgt hatten, aßen sie nichts. Sie sprachen kein Wort. Jeder versuchte für sich, den Schmerz in seiner Brust zu ersticken.
    Ihr Ziel waren die Feuerhöhlen. Jedenfalls redeten sie sich das ein. Ob sie die Höhlen fanden, war ihnen egal. Noraks Euphorie, seine Träume, seine Hoffnung – zerstoben. Die Vision. Die Eule. Hatte sie überhaupt gesprochen? Nicht wichtig. Sie setzten einen Fuß vor den anderen. Weg vom Dorf. Es war gut, ein Ziel zu haben.
    Das Dorf. Mit Reißzähnen zerrte die Erinnerung an ihren Herzen. Sie sahen ihr Dorf vor sich. Ihre Verwandten, ihre Freunde. Zerstückelt. Im Schmerz dieser Bilder keimte eine neue Art der Hoffnung. Genährt von einem

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