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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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die Landwacht-Typen reagierten weitaus brutaler als die Deutschen, und einmal hatten Wehrmachtssoldaten eingreifen müssen, um zu verhindern, dass einer der Gefangenen übel zusammengeschlagen wurde.
    Nachdem die anderen bereits bei der Arbeit waren, kam Willis Farjeon völlig unbekümmert zu Garys Gruppe herübergeschlendert. »Morgen, ihr Inselaffen«, sagte er fröhlich.
    »Vorsicht, Jungs, passt auf, wer hinter euch steht«, sagte Joe Stubbs.
    »Ach, nun sei doch nicht so, Stubbs, eigentlich liebst du mich doch.« Willis zog seinen Mantel aus und griff sich einen Spaten.
    Joe Stubbs, ein Bauernsohn aus Canterbury, war erst neunzehn. Als einfacher Soldat mit gerade einmal zweiwöchiger Ausbildung war er während des deutschen Vormarschs nach nur einem Tag im aktiven Dienst gefangen genommen worden. Für ihn, so schien es Gary, war der Krieg das Stalag und das Erwachsensein identisch mit einem Dasein als Kriegsgefangener. »Verpiss dich, Farjeon«, sagte er jetzt, zornig und nervös.
    »Danke gleichfalls, Stubbs, du Flegel.« Willis kam
zu Gary und arbeitete neben ihm. Er war hochgewachsen und sah auf verwegene Weise gut aus, ein bisschen wie David Niven. Er trug sein schwarzes Haar nach hinten geklatscht – um die Frage, woher er die Brylcreem bekam, rankten sich viele Gerüchte –, und er hatte einen eleganten, bleistiftdünnen rußschwarzen Schnurrbart. Der während der Invasion über Kent abgeschossene Jagdflieger sah aus wie Mitte zwanzig, war aber vielleicht jünger. »Und wie geht’s unserem hiesigen Mitglied des Sprinterclubs von Dünkirchen heute Morgen?«
    »Ich kann mich nur Stubbs anschließen.«
    »Aber, aber. Mir ist nicht entgangen, dass du mich ignoriert hast, weißt du.«
    Willis Farjeon war Gary zuwider. Gary hatte festgestellt, dass er eine bestimmte Sorte von Engländern einfach nicht ertragen konnte, die Privatschultypen, wie er sie bei sich nannte, die jeden in ihrer Umgebung mit Spott überschütteten, von den Gorillas bis zu ihren Mitgefangenen. »Ich hab dir nichts zu sagen, Farjeon.«
    Willis lächelte. Er arbeitete ebenso hart wie alle anderen. »Tja, aber ich habe dir was zu sagen, das hoffe ich zumindest. Wir haben schließlich einen gemeinsamen Freund.«
    »Ach ja?«
    »Hans Gheldman. Der kleine Österreicher?«
    Gary runzelte die Stirn. »Hans Gheldman« war das Pseudonym, das Ben Kamen im Lager benutzte, um seine jüdische Abstammung zu verbergen; er gab sich
als Emigrant der zweiten Generation mit einer amerikanischen Mutter aus. Zu Beginn seiner Zeit im Stalag hatte Gary rasch Kontakt zu den Leuten vom Fluchtkomitee bekommen und sie dazu gebracht, Ben einen Satz gefälschter Ausweisdokumente zu beschaffen. »Ich kenne Hans«, sagte er vorsichtig.
    »Komischer kleiner Bursche, was? Hat immer vor irgendwas Angst. Na ja, hätte ich auch, wenn ich an einem Ort wie dem hier festsäße und einen deutschen Akzent hätte.«
    »Einen österreichischen. Er ist Austro-Amerikaner.«
    »Ja, aber Burschen wie Stubbs werden ihn immer verdächtigen, ein Maulwurf zu sein.«
    »Leck mich doch, Farjeon«, sagte Stubbs. »Die würden nie im Leben einen Maulwurf mit Kraut-Akzent hier reinstecken. So blöd sind nicht mal die Gorillas. Eher bist du ein Maulwurf als dieser verdammte Gheldman.«
    »Wie überaus scharfsinnig er ist«, sagte Willis, der über Stubbs sprach anstatt mit ihm. »Also, Hans ist nervös. Er redet von dir, weißt du«, sagte er zu Gary. »Ziemlich oft – eure Erlebnisse vor der Invasion – wie du deine Frau verloren hast.«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Hans denkt, es geht ihn was an, also geht’s auch mich was an.«
    »Herrgott«, sagte ein anderer Mann, der sich auf seinen Spaten stützte. »Schaut euch das an. Noch so ein verdammter Haufen Pimpfe.«

    Eine Gruppe von Jungen, vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt, wurde von einem SS-Offizier über das Gelände geführt. Sie trugen alle Uniform und Hakenkreuz-Armbinden. Der Offizier fuhrwerkte mit den Händen in der Luft herum; offenbar beschrieb er das Monument, wie es eines Tages aussehen sollte. Das Reich reproduzierte einen Triumphbogen, den die Römer zum Gedenken an ihre eigene erfolgreiche Invasion in Britannien vor zweitausend Jahren erbaut hatten. Er würde mit Skulpturen der siegreichen deutschen Truppen und ihrer bezwungenen Feinde geschmückt werden; man würde Schwimmpanzer und Lastkähne, Spitfires und Messerschmitts darauf sehen. Der SS-Mann ließ die Jungen in einer Reihe vor dem Stummel des

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