Diner des Grauens
zusammen und öffneten sich wi e der, wie zwei Sumoringer, die unter einer Zeltplane mite i nander rangen. Der Tanz hörte nur kurz auf, wenn sich Loretta den Schweiß von der Stirn wischte und einen tiefen Schluck Limo nahm. Dann ging es weiter.
Napoleon hätte ihr stundenlang zusehen können. Seit er tot war, war er zu so etwas wie einem Menschenbeobachter g e worden. Es waren faszinierende Kreaturen, und er hatte noch nicht viel von dem verstanden, was sie taten – außer essen, sich paaren und sich erleichtern. Und selbst die Art, wie sie Letzteres taten , schien sonderbar. Aber die Tats a che, dass er die Menschen nicht verstand, machte sie nur umso interessanter. Natürlich gab es auch noch andere spannende Wesen außer Menschen. Etwa schleimige, grüne Tentakel, die unter Küh l schränken hervorglitten.
Der Hund ging in Alarmstellung und sprang zwischen das Ding unter dem Kühlschrank und Loretta. Er knurrte, als die Tentakel vorwärts glitten. Als das nicht funktionie r te, bellte er wütend, da er zeigen wollte, dass er es ernst meinte, und um sie vor der Gefahr zu warnen, die nach ihren Knöcheln griff.
Loretta ignorierte ihn einfach.
Schließlich schnappte er nach dem Ende eines Tent a kels. Er erwartete nicht, tatsächlich hineinbeißen zu kö n nen, und war angenehm überrascht, als seine Zähne auf Widerstand trafen.
Hunde, selbst Geisterhunde, verstanden sehr wenig d a von, wie das Universum in Wahrheit funktionierte. Sogar noch weniger als menschliche Wesen, wenn so etwas möglich war. Napoleon wusste nicht, dass das Ding unter dem Kühlschrank in einem interdimensionalen Zustand existierte und sich gleic h zeitig in ungefähr zwei Dutzend Existenzebenen aufhielt. Und dass eine dieser Ebenen zufällig die ektoplasmische Sphäre war und es somit Gei s tern erlaubte, mit dem Ding zu interagieren. Er wusste nur, dass er danach schnappen konnte, und deshalb biss er fest zu. Er vergrub seine Zähne in das matschige Fleisch. Es schmeckte fürchterlich. Aber es war lange her, seit er übe r haupt irgendetwas geschmeckt hatte, also war das besser als nichts.
Das Ding unter dem Kühlschrank quiekte.
Loretta drehte sich um und sah eine Gruppe Tentakel in e i nem verflochtenen Tanz herumschwingen. Sie peitschten heftig hin und her. Napoleons Kiefer glitten ab und er flog heftig genug gegen eine Wand, dass es einem körperlichen Terrier das Genick gebrochen hätte. Napoleon jedoch segelte einfach weiter, aus der Küche hinaus.
Das Ding unter dem Kühlschrank rumpelte. Der rostige Ei s schrank schwankte und fiel beinahe um. Tentakel ergrauten und schimmerten, als würden sie verblassen. Sie erforschten den Boden und tasteten sich an den Arbeitspla t ten entlang. Ein Gliedmaß packte einen Mixer und schle u derte ihn fort. Er zerschellte auf dem Boden.
Etwas an dem Ding unter dem Kühlschrank machte L o retta Angst, und das, obwohl sie sonst nie leicht zu erschr e cken gewesen war. Regelmäßige Kämpfe mit den wa n delnden Toten hatten sie nur sturer gemacht. Das Ding sah widerlich aus, ein glitschiger, schleimiger Haufen übern a türlichen Grauens. Doch das war nicht das Schlimmste. Es war nicht die Form des G e schöpfs, die ihr Angst machte. Es war die beinahe übersinnliche Erkenntnis, dass dieses Ding, was zur Hölle auch immer es sein mochte, vollko m men fremdartig schien. So weit jenseits sterblichen Begre i fens, wie etwas nur sein konnte.
Und genauso wie sie das wusste, ohne es zu wissen, wusste sie auch, dass das hier nur ein winziges Stück des Wesens war. Sein ganzer Körper würde die Erde nämlich vollkommen begraben – und es gab nichts, was das Ding unter dem Küh l schrank mehr wollte als dies.
»Nicht in meiner Küche, du heidnischer Dämon!«
Sie schob das Entsetzen von sich, schnappte sich ein Hac k beil und hackte auf eine der sich windenden Ranken ein. Die Klinge schnitt durch grünliches, knochenloses Fleisch. Das Ding kreischte. Das abgetrennte Stück Tent a kel fiel auf den Boden und ging in Flammen auf, während eine neue Spitze aus der verletzten Extremität wuchs.
»Verdammt!«
Etwas bewegte sich unter dem Boden. Die Fliesen hoben und senkten sich in fließenden Wellen. Die Schränke öffneten sich alle gleichzeitig. Weitere Tentakel stießen durch die Rückseiten der Geschirrschränke, aus denen, nach Lorettas Vermutung, geschwärzte Tore zur Hölle geworden sein mussten. Das war aber vollkommen falsch. Die Hölle war ein Spielzeuggeschäft verglichen mit der
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