Diner des Grauens
etwa zehn Sekunden aufgewacht bin. Und dann das Mal, als die Nazis in Polen eingefallen sind. Ich wusste einfach, dass das Ärger bedeutete.« Er führte sein Kaffeeritual noch einmal durch. »Und als sie Die grüne Hornisse abgesetzt haben, konnte ich eine halbe Stunde lang nicht wieder einschlafen. Mann, ich habe diese Serie geliebt!«
»Kato war Klasse«, stimmte Duke zu.
»Auf jeden Fall ist dieses Zeug nichts im Vergleich zu den Schwingungen, die ich heute Abend aufgeschnappt habe, als dieses Ding in der Küche aufgetaucht ist. Wenn du das alles mit jedem übersinnlichen Signalton zusa m mennimmst, den ich je in meinem Todesschlaf empfangen habe, hättest du immer noch nicht das finstere Böse, das dieses Ding in meinen Kopf g e stopft hat.« Es schauderte ihn bei der Erinnerung daran. »Ich hatte Glück, dass mein Verstand das meiste davon abgeblockt hat. Sonst wäre ich jetzt zu übergeschnappt, um hier noch mit euch reden zu können. Vielleicht sogar für immer.«
Duke nickte.
Earl schnaubte. »Pass auf, du Idiot. Die meisten Leute gla u ben, dass man, um richtig böse zu sein, die Wahl haben muss. Dass man nicht richtig schlecht sein kann, wenn man nicht auch gut sein kann. Sie irren sich. Wirklich böse, wahrhaftig böse, nicht nur dieses »bring-alle-um-die-du-nicht-magst«- oder »schmeiß-'ne-Atombombe-auf-ein-Land-weil-dir-egal-ist-wie-man-seinen-Namen-ausspricht«-böse, kommt davon, dass man rein gar nichts Gutes in sich hatte. Noch nie.«
»Menschen sind nicht so gemacht. Jeder trägt etwas G u tes in sich. Oder hatte mal was Gutes in sich. Aber dieses Ding hatte das nie. Es ist absolut und ewig … « Er rieb sich in dem verge b lichen Versuch, das richtige Wort zu finden, die Schläfen.
»Ich habs kapiert, Earl. Es ist böse. Böser als ich je ve r stehen werde. Also hör schon auf zu versuchen, es mir beizubringen!«
Earl leerte den Rest der Kanne in seine Tasse. »Was ich wirklich sagen will, ist, dass es nicht allein ist. Da ist noch viel mehr direkt dahinter, und einiges noch Schlimmeres, denke ich.«
»Schlimmer als absolut böse.«
»Ich habs dir doch gesagt, du verstehst das nicht!«
Duke ließ seine Fingerknöchel knacken. »Wenn du meinst.«
»Worauf ich hinauswill, Duke, wenn du mal aufhören wü r dest, mich ständig zu unterbrechen, ist, dass ich keine weitere Minute in diesem Ort verbringen werde. Ich hau ab. Mit dir oder ohne dich.«
Duke holte tief Luft. Seine Brust blähte sich auf. Ein Stich an der Naht seines Kragens riss auf. Er fixierte Earl mit seiner typischen steinernen Ausdruckslosigkeit. Seine Augen veren g ten sich um den winzigsten Bruchteil. Seine Stirn legte sich in kaum wahrnehmbare Falten.
»Du läufst also weg?«
Earl drehte sich unter dem Vorwand, die Kaffeekanne z u rückzustellen, versteckte aber in Wirklichkeit seine Unfähi g keit, Dukes Blick standzuhalten.
»Ja.«
Duke erhob sich sehr, sehr langsam von seinem Stuhl.
Earl unterdrückte ein nervöses Zucken. Der gewöhnliche Vampir war dem durchschnittlichen Werwolf in einem ernst gemeinten Kampf nicht gerade gewachsen. Die Untoten waren meistens Schatten und Heimlichkeit, dazu bestimmt, die Nacht zu durchstreifen. Werwölfe waren schlicht und einfach zum Töten gemacht. Earl hatte Duke in Little Rock fünf Vampi r punks abschlachten sehen. Sie hatten zunächst zwar ein paar gute Treffer gelandet, aber schließlich hatten sie doch den endgültigen Tod g e schmeckt und Duke hatte nur einen Arm verloren.
Leider wäre jeder dieser Punks für sich allein geno m men härter im Nehmen gewesen als Earl. Viel härter.
Er glaubte nicht, dass Duke ihn wirklich umbringen würde. Duke überlegte sich zweimal, wen er tötete. Aber er konnte Earl trotzdem ohne große Mühe die Scheiße aus dem untoten Leib prügeln.
Schlüssel klapperten neben ihm auf die Theke.
»Nimm den Pick-up.«
»Hast du mein Zeug bekommen?«, fragte Earl Duke.
»In der Vorratskammer. Neben deinem Koffer.«
»Danke.« Er stopfte die Schlüssel in seine Tasche. »Tut mir Leid, Loretta.«
Sie lächelte sanft. »Ist schon in Ordnung. Ich verstehe. Wenn ich ein Hirn hätte, würde ich selber abhauen.«
Napoleon, der bis dahin mit dem Todeskampf einer K a kerl a ke beschäftigt gewesen war, spitzte die Ohren und wandte sich zur Tür der Tiefkühlkammer. Er schnüffelte laut von einem Ende der Metalltür zum anderen und wieder zurück. Dann knurrte er.
Duke und Earl beobachteten misstrauisch die Tür, aber es passierte nichts.
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