Dinner mit Rose
sank in den Sessel, um die Notiz zu lesen.
Seit ich von zu Hause fortgegangen war, um zu studieren, hatte Tante Rose mir regelmäßig geschrieben und mich über ihre Scharmützel mit dem Bürgermeister (»Der Mann ist ein kompletter Idiot, Josephine!«), Matts neueste Abenteuer und den Zustand ihrer Tomatenpflanzen auf dem Laufenden gehalten. Ihre Briefe waren stets mit energischer Handschrift auf diesem dünnen blauen Luftpostpapier verfasst, das in der heutigen Zeit der E-Mails fast Sammlerwert hat, und dank der Angewohnheit der Schreiberin, ihre Korrespondenz beim Frühstück zu erledigen, für gewöhnlich mit Toastkrümeln verklebt war. Die Schrift dieses Briefes war jedoch schwach und zittrig, als wäre die Anstrengung, den Stift zu halten, für die Verfasserin fast zu groß gewesen.
Meine liebe Josephine,
dies ist kein Selbstmord, lediglich der Wunsch, uns allen die Unannehmlichkeiten meines endgültigen Sturzfluges ins Grab zu ersparen. Ich habe mein Leben in vollen Zügen genossen und eigentlich damit gerechnet, es noch weitere dreißig Jahre lang genießen zu können, aber es kommt bekanntlich oft anders, als man denkt.
Nachdem ich schon mehr von Dir verlangt habe, als ich Dir zumuten durfte, scheue ich mich nicht, Dich um noch etwas zu bitten. Vernichte das Beweismaterial, bevor du Rob Milne rufst, damit er den Totenschein ausstellt. Ich glaube nicht, dass er unliebsame Fragen stellen wird, aber wenn er es tut, zeig ihm diesen Brief. Er ist ein anständiger Bursche und zu vernünftig, um Euch alle einer Untersuchung durch den Coroner auszusetzen.
Matthew wird das Haus und das Land erben, Kim meinen Schmuck und meine Ersparnisse. Mein einziges Vermächtnis an Dich besteht aus vier Hunden und einem Schwein, aber in Gedanken habe ich Dich ohnehin mit Matthew zusammengebracht. Ich gebe zu, dass ich Dich schon eine ganze Zeit lang in Gedanken mit Matthew verkuppelt habe.
Alles Liebe für Euch alle.
Rose
Ich lachte durch meine Tränen hindurch, faltete den Brief sorgfältig wieder zusammen und verstaute ihn in der Tasche meines vielgeschmähten Onesies. Es sah Tante Rose ähnlich, mit einem Paukenschlag aus dem Leben zu gehen, statt langsam dahinzusiechen. Nie habe ich einen Menschen mit so viel Mut, so viel Mitgefühl und so grenzenloser Toleranz gekannt – und mit einem solchen Fassungsvermögen für Wein. Wir werden sie furchtbar vermissen.
Mit der Taschenlampe in der Hand begab ich mich in die Küche, holte einen Plastikmüllsack, ein Stück Seife, einen Arm voll Handtücher und den Wasserkessel und ging in Roses Zimmer zurück, um die Spuren zu beseitigen.
Zwanzig Minuten später kauerte ich auf den Fersen und richtete die Taschenlampe auf den Portweinfleck auf dem Teppich. Ich hatte ihn eingeweicht, mit Seife eingerieben und ein Handtuch darauf gelegt, auf dem ich dann auf und ab gesprungen war, um die Feuchtigkeit aufzusaugen, und nun war nichts mehr davon zu sehen. Ich fand, dass ich eine gute Komplizin abgab – wenn ich die Physiotherapie satthatte, konnte ich vielleicht auf Verbrechen umsatteln. Oder – etwas realistischer – auf Teppichreinigung.
Ich sammelte die leeren Schmerzmittelpackungen und die Portweinflasche auf, spähte unters Bett, um mich zu vergewissern, dass ich keine Folienstreifen übersehen hatte, und leuchtete dann mit der Lampe langsam durch den Raum. Alles wirkte ordentlich und friedlich, die Pailletten auf der Tagesdecke schimmerten sanft im Licht. Ich bückte mich, küsste das reglose Gesicht, wischte mir mit dem Handrücken über die nassen Augen und schloss die Tür hinter mir. Ich würde die Handtücher in die Waschmaschine und die Tablettenpackungen zum Abfall werfen und dann um sieben den Leichnam finden und den Arzt rufen.
Draußen erklang ein weiteres gespenstisches Kreischen, das klang, als versuche jemand, ein Schwein bei lebendigem Leibe mit einer Säge zu zerlegen, aber ich hatte jegliches Interesse am Zustand des Dachs verloren.
Als ich in die Küche kam, stand Spud immer noch bellend an der Tür. »Schon gut, Spud, ich höre es auch.« Ich schob den Riegel zurück, öffnete die Tür und trat mit dem Müllsack in der einen und der Taschenlampe in der anderen Hand auf die Veranda hinaus.
Spud drängte sich an mir vorbei, blieb wie angewurzelt stehen und knurrte.
»Spud!«, schimpfte ich, schlüpfte in meine Gummistiefel und zerrte Roses alte Öljacke vom Haken. Eine Windbö erfasste sie, als ich sie anziehen wollte, und ließ sie wild flattern. »Beweg
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