Dinner mit Rose
dem beharrlichen Klappern eines Wellblechstücks, das sich losgerissen hatte und jetzt drohte, vom Dach gerissen zu werden. Dann schlug ich die Augen auf, aber ich sah dadurch keinen Deut mehr als mit geschlossenen Augen, und tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe.
Nichts passierte. Ich knipste den Schalter ein paar Mal an und aus, bevor ich klar genug bei Verstand war, um zu begreifen, dass sich nichts tun würde. Also stand ich auf und tastete mich zur Tür des Rosa Zimmers. Der Hauptlichtschalter neben dem Türrahmen funktionierte auch nicht, was bedeutete, dass wohl der Strom ausgefallen war. Vermutlich lag mindestens ein Baum auf der Leitung.
Ich tastete mich an der Wand entlang in die Küche. Natürlich gab es auch hier kein Licht, aber hinter dem Glasfenster des Ofens schimmerte Glut und erfüllte den Raum mit einem flackernden rötlichen Schein. Windböen pfiffen durch den Schornstein. Spud empfing mich an der Tür und schob mir seine feuchte Nase in die Hand.
»Ich hoffe, wir verlieren nicht das ganze Dach«, sagte ich zu ihm, und er bellte ein Mal kurz und heiser auf.
Ich würde hinausgehen und nachsehen und wahrscheinlich Matt anrufen und ihn bitten müssen, vorbeizukommen und mir zu helfen, das Dach wieder festzunageln. Aber zuerst wollte ich nach Rose sehen – trotz Tabletten konnte sie nicht so fest geschlafen haben, dass sie den ohrenbetäubenden Lärm nicht gehört hatte.
Ich nahm die große Taschenlampe aus dem Schrank über der Mikrowelle und schaltete sie ein, dann ging ich zu dem Schlafzimmer am Ende des Flurs.
»Tante Rose«, zischte ich, öffnete die Tür und nahm mir zum ungefähr dreihundertsten Mal vor, sie zu ölen, damit sie nicht so quietschte wie die im Haus der Addams Family. Ich richtete den Lichtstrahl auf ihre Füße, um die arme Frau nicht zu blenden. »Bist du wach?«
Ihre Augen waren geschlossen, und ihr mit der Satinkappe bedeckter Kopf lag schlaff nach hinten geknickt auf dem Kissen. Es sah furchtbar unbequem aus.
Und dann bemerkte ich die umgefallene Flasche auf dem Boden, die in einer kleinen, dunklen Pfütze lag und den Raum mit starkem Portweingeruch erfüllte. Den Bruchteil einer Sekunde später sah ich die auf der Bettdecke neben ihrer rechten Hand verstreuten leeren Tablettenstreifen. Gütiger Gott , dachte ich. Das kann nicht sein. Das würde Rose nie tun … Die Taschenlampe entglitt meiner schockstarren Hand. Ich bückte mich, um die Lampe aufzuheben, aber es dauerte, bevor es mir gelang, sie mit meinen klammen Fingern zu fassen zu bekommen. Dann richtete ich mich auf, fasste Rose an der zerbrechlichen, knochigen Schulter und schüttelte sie sanft.
Sie blieb schlaff liegen; zeigte keine Reaktion. »Tante Rose!«, sagte ich scharf.
Irgendwo über mir ertönte ein weiteres kreischend metallisches Getöse, als sich das lose Stück Wellblech vermutlich endgültig vom Dach verabschiedete. Im selben Moment prasselte ein Regentropfenschwall gegen das Fenster.
Ich legte die Taschenlampe auf den Nachttisch, griff nach Tante Roses Hand und fühlte ihren Puls. Er war nicht zu spüren, aber vielleicht lebte sie ja trotzdem noch. Ich könnte es mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung versuchen und einen Krankenwagen rufen … Ich hatte schon beide Hände übereinander auf ihre Brust gelegt, da erkannte ich, wie töricht ich war.
Tante Rose hatte die Würdelosigkeit ihrer Krankheit gehasst – sie hatte nur so lange mit diesem Schritt gewartet, weil sie ihre und unsere Angelegenheiten zu ihrer Zufriedenheit hatte ordnen wollen. Und dann hatte sie uns auf jene geordnete, souveräne Weise verlassen, die sie in allen Dingen des Lebens (mit der offensichtlichen Ausnahme des Kochens) an den Tag gelegt hatte. Selbst wenn es möglich wäre, sie wiederzubeleben – und wie ich Rose kannte, hatte sie dafür gesorgt, dass dies nicht möglich war –, konnte ich es nicht tun.
Ich trat zurück, richtete den Lichtstrahl auf ihre Brust und betrachtete sie lange, während der Sturm um das alte Haus heulte, konnte aber unter der pfauenblauen Bettdecke kein Heben und Senken mehr erkennen. Ich drehte ihren Kopf leicht zur Seite und rückte ihre Kappe sorgfältig zurecht, bevor ich mich bückte und die Flasche vom Boden aufhob.
Neben der Portweinflasche, halb unter den Satinfransen der Tagesdecke verborgen, lag ein zusammengefalteter Zettel. Spud bellte im Flur, und ein weiteres Wellblechstück schlug unaufhörlich gegen das Dach, aber ich achtete nicht auf den Lärm, sondern
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