Dinnerparty
selbst als Nachteule und behauptete, nachts am besten arbeiten zu können. Im Adressbuch drückte er auf Sophies Namen. Ein Freizeichen.
»Ja«, meldete sie sich hektisch nach dem zweiten Klingeln.
»Klingt, als hättest du Stress«, schmunzelte er. Er sah sie regelrecht vor sich. Immer in Action.
»Ben? Wie schön, deine Stimme zu hören!«
Sie klang erschöpft. Wahrscheinlich werkelte sie noch in ihrer neuen Wohnung herum. Alle paar Tage schickte sie ihm eine E-Mail und berichtete von ihren Erlebnissen mit Schlagbohrer, Schleifmaschine und anderem Gerät, das sie aus dem Baumarkt anschleppte.
»Sag mal, wo kann ich mein Wohnmobil parken?«
»Dein Wohnmobil?«
»Das kleine Haus auf vier Rädern, an das du dich eigentlich erinnern solltest.« In diesem Wohnmobil hatte er mit Sophie im letzten Sommer eine heiße Nacht erlebt. Sie waren richtig verliebt gewesen. Doch sie hatten zu viel durchmachen müssen, in kürzester Zeit. Jetzt war sie seine Seelenverwandte, wie es immer so schön hieß. Sie waren kein Paar geworden, sie hatten etwas Besseres.
»Du bist in Hamburg?« Sophie schien es nicht glauben zu können.
»Noch nicht, aber morgen.«
»Du fährst mit dem Wohnmobil von Ibiza nach Hamburg? Das ist ja völlig irre. Warum hast du mir nicht früher Bescheid gesagt?«
»Weil es eine Überraschung sein sollte.«
»Mit dem Wohnmobil. Ich fass es nicht. Es gibt seit einiger Zeit echt günstige Flüge. Man muss nicht immer seinen Hausstand dabeihaben.«
Er liebte ihre ironische Ader.
»Das weiß ich auch, aber meine Freundin fliegt nicht so gern.« Der Satz hatte gesessen. Er zählte bis fünf.
»Deine Freundin?«
»Ja. Das ist doch okay für dich, oder?«
Sie antwortete zu schnell.
»Klar. Das ist völlig in Ordnung. Aber bei mir sieht es wirklich wild aus. Ich stecke noch immer in Renovierungsarbeiten. Die ganze Bude ist eine Baustelle.«
»Ich bin im Bilde, dank deiner Mails. Wenn du nett bist, helfe ich dir ein bisschen.«
»Und deine Freundin?«
»Ach, ich glaube, der macht das nichts aus.«
»Wann werdet ihr denn da sein? Ich bin im Moment auf Fehmarn und werde erst morgen Mittag wieder zurück sein.«
»Kein Problem. Wir sind noch ganz im Süden. Mit dem Wohnmobil brauchen wir bestimmt acht Stunden. Wenn wir gut durchkommen, sind wir am späten Nachmittag bei dir. Jetzt gib mir deine neue Adresse. Meine Freundin kann es gar nicht erwarten, dich kennenzulernen.«
Er notierte sich die Anschrift.
»Bis morgen!«
»Ja, bis morgen. Ach, und ihr könnt auf der Auffahrt parken. Ich kann es noch gar nicht fassen.«
Ben legte auf und schmunzelte. Er war wirklich gespannt, wie Sophie und Ronja sich verstehen würden. Ronja musste man einfach lieben. Sie war so hübsch und zauberhaft.
»Ronja?«
Ronja sprang zu ihm nach hinten. Ben nahm die Schachtel spanischer Fortuna-Zigaretten und öffnete die Tür.
»Letzte Chance, Pipi zu machen, bevor wir schlafen müssen.«
Ronja jaulte müde und streckte sich.
*
Sophie ging kopfschüttelnd durch den dunklen Garten zurück auf die Terrasse. Was für ein Tag. Vor fünf Minuten war sie noch total deprimiert gewesen und jetzt? Ben würde morgen kommen! Seit einem Jahr hatten sie sich nicht mehr gesehen. Sie hatte sich zwar fest vorgenommen, ihn auf Ibiza zu besuchen, aber es war immer etwas dazwischengekommen. Und nun besuchte er sie in Hamburg. Sophie freute sich auf der einen Seite unheimlich auf ihn, auf der anderen Seite waren da diese gemischten Gefühle. Ben kam mit seiner Freundin. Wahrscheinlich so eine entzückende Spanierin. Klein, zierlich und dunkelhaarig. So eine Penelope Cruz. Und er brachte sie einfach mit. Das war natürlich okay, aber hätte er sie nicht zumindest fragen können? Sophie nahm die leere Rotweinflasche und die Gläser und ging ins Haus. Sie verriegelte die Terrassentür und schlich nach oben. Das wunderschöne Gästezimmer erinnerte sie an den letzten Sommer. Sie hätte sich gern eine heiße Dusche gegönnt, doch sie hatte Angst, jemanden zu wecken. Tina hatte ihr ein Nachthemd und eine Zahnbürste auf das Kopfkissen gelegt. Sophie huschte in das kleine Badezimmer und putzte sich die Zähne. Dann kroch sie unter die Bettdecke. Obwohl sie todmüde war, konnte sie nicht einschlafen. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn. Es war nicht Lauras Tod, der sie so grübeln ließ, stellte sie erstaunt fest. Es war Ben. Sophie wunderte sich, warum sie die Vorstellung, dass Ben mit einer anderen Frau glücklich war, so extrem
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