Diplomat und Rebell von Terra
oben?«
»Einen Besuch? Ich sehe, du wünschst dir einen kühneren Tod als den Sturz von den Felsen.«
»Ich möchte mir einmal die Landschaft von oben betrachten. Soviel ich gehört habe, ist die Aussicht eindrucksvoll.«
»Der Anblick eines wütenden Rhoon, der sein Nest verteidigt, ist einer der schauerlichsten auf Quopp«, erwiderte der Flieger. »Aber davon gibt es nur wenige Augenzeugenberichte.«
Retief sah sich die Rotoren des Geschöpfes an, die sich langsam drehten, als der Wind an den schmalen Blättern zerrte.
»Wieviel Gewicht kannst du tragen?« erkundigte er sich.
»Einmal habe ich einen ausgewachsenen Flink hochgehoben und ihn in den Fluß da drüben geworfen.« Der Flieger deutete mit einem Arm nach unten. »Ich glaube, der schnüffelt nie wieder in der Nähe meines Nestes herum.«
»Ich wiege mehr als ein Flink«, stellte Retief fest.
»Das macht nichts. Du würdest ebenso schnell wie ein Flink fallen, und es würde noch schöner spritzen.«
»Wetten, daß du mich nicht hochheben kannst?« sagte Retief herausfordernd. Der Flieger startete seinen Rotor.
»Die meisten Bodenkriecher bitten um ihr Leben, wenn ich sie hier oben erwische. Und du rufst absichtlich meinen Zorn hervor.«
»Aber nein, ich will ja nur, daß du mich da hinauf fliegst.« Retief deutete auf die Felsnadel.
»Dich da hinauf fliegen ...?«
»Sicher. Ich kann eine senkrechte Wand nicht hochgehen, und es wäre schlecht, wenn ich wieder nach unten müßte.«
»Sprichst du im Ernst, du Made? Du würdest mir Leben und Glieder anvertrauen?«
»Die meisten Quoppina halten ihr Wort einem harmlosen Fremden gegenüber. Weshalb solltest du anders sein?«
»Eine merkwürdige Logik«, erwiderte der Flieger. »Und doch, eine sehr erfreuliche. Ich dachte, alle Kriecher seien furchtsame Dinger, die zu wimmern und schreien beginnen, wenn sie die Felsnadeln sehen. Und hier ist einer, der kühn wie ein geborener Flieger spricht.«
»Setze mich einfach in der Nähe der Rhoon ab«, schlug Retief vor.
»So etwas ist mir noch nicht vorgekommen: Ein Flügelloser, der sich zu den Herren des Himmels wagt!« Der Flieger wirbelte seine Rotoren und kam näher zu Retief heran. »Ich will dich auf die Probe stellen, Bodenkriecher. Vielleicht bist du zu schwer für mich, und dann stürzen wir gemeinsam in den Tod. Aber wenn meine Rotoren halten, trage ich dich nach oben, das verspreche ich.«
»Du bist fair«, sagte Retief und steckte das Schwert ein. Er schloß die Augen vor dem starken Wind der Rotoren. Dann griff er nach den Halteklammern des Fliegers und schwang sich auf ihn. Wind zerrte an ihm, und er wurde immer höher getragen.
*
Die ersten hundert Fuß erhob sich der Flieger sehr schnell, dann wurde er langsamer. Er schaffte weitere fünfzig Fuß, aber seine Rotoren ächzten dabei. Über sich konnte Retief einen winzigen Grat erkennen, an dem die Steilwand endete. Und dieser Grat ging in eine schmale Felsnadel über, die kaum weniger steil war.
»Was sagst du, Bodenkriecher?« stöhnte der Flieger. »Willst du mir weiter vertrauen, oder soll ich aufgeben und dich wieder absetzen?«
»Es ist nur noch ein Stückchen«, rief Retief. »Du schaffst es.«
»Dein Mut ist zu bewundern, auch wenn du keine Flügel hast«, rief der Quoppina in den Wind. »Wir werden alles wagen – egal, ob wir gewinnen oder verlieren. Niemand kann sagen, daß wir die Prüfung nicht gewagt hätten.«
»Spar dir den Atem lieber zum Fliegen«, mahnte Retief. »Gratulieren können wir uns oben immer noch.«
Retiefs Hände waren ganz steif von der Anstrengung des Festklammerns. Und immer noch war der Grat ein paar Meter über ihnen. Der Quoppina atmete stoßweiße und pfeifend. Seine Rotoren klangen unregelmäßig. Und dann kam ein leichtes Surren näher ...
Retief wandte den Kopf um. Ein zweiter Flieger war herangekommen. Er schwebte neben ihnen und studierte die Lage genau.
»Der ist zu groß zum Fressen, Gulinda«, rief er. »Wetten, daß er so zäh wie die Radachse eines Wumblum schmeckt?«
»Ich setze ihn – sicher oben – ab, oder ich – sterbe ...«, schnaufte Retiefs Flieger.
»Ah – es ist eine Wette. Aber verloren habt ihr beide, denn ein Rhoon hat euch erspäht. In spätestens einer halben Minute ist er hier.«
Retiefs Flieger stöhnte nur und arbeitete sich weiter. Noch ein Meter ...
Ein tiefes Dröhnen, ein Windstoß, der sie näher an die Felswand trieb ...
Retief sah auf und erkannte durch die drehenden Rotoren die gigantische
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