Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
ihr davon nicht.
Plötzlich fühlte sie sich am Handgelenk ergriffen. Der Freier namens Jean zog sie wieder in den Raum zurück und versetzte ihr einen Schubs, der sie auf die Couch warf.
»Was? Was ist?«
Da nahm er ihr Gesicht unter dem Kinn mit seiner Hand in einen festen Griff. Auf dem Tisch lag eine Fotografie. Sie zeigte ein junges, dunkelhaariges Mädchen.
»Kennst du die?«, fragte der Mann mit stahlhart klingender Stimme.
Die Fotografie verschwamm vor Jeanettes Augen. Krampfhaft versuchte die Dirne die Augen zu öffnen. Sie begriff zwar, dass hier etwas Außergewöhnliches und vielleicht auch sehr Gefährliches geschah.
Aber sie war ganz unfähig, sich zur Wehr zu setzen. Ihr ganzer Körper war wie gelähmt.
»Ob du sie kennst?« zischte die Stimme des Mannes an ihrem Ohr. Eine unheimliche Angst befiel Jeanette Doubier. Aber sie schaffte es nicht, aufzustehen. Der Mann hielt ihr Handgelenk wie mit einem Schraubstock umfangen.
»Rede!«, tönte seine fordernde Stimme an ihrem Ohr.
»Es ist – Nathalie!«, keuchte die Dirne. Schweiß trat ihr auf die Stirn.
»Nathalie«, sagte der Mann.
»Ein Flittchen!«, keuchte Jeanette Doubier. »Sie war nie eine richtige Dirne. Sie war ein ...«
»Schweig!«, stieß der Mann hervor. »Ich weiß, was du mit Nathalie gemacht hast. Du und die fünfzehn anderen.«
»Aber ich ...« Die Stimme Jeanettes brach ab und glich nunmehr nur noch einem Röcheln.
»Für das, was ihr getan habt, werdet ihr bezahlen. Alle. Drei haben bezahlt, und du wirst die vierte sein.«
Und dann sah Jeanette aus einem roten Wirbel heraus das Messer blitzen. Sie fühlte heftigen Schmerz am ganzen Körper. Sie schaffte es hochzuspringen, taumelte gegen ein Tischchen. Die Champagnerflasche zerschellte auf dem Boden. Jeanette Doubier röchelte und keuchte. Sie kroch auf dem Boden dahin, während der Unheimliche sein grausiges Werk zu vollenden versuchte.
Dann klangen polternde Schritte über den Flur.
Der Unbekannte ließ ab, stürzte zur Balkontür, riss sie auf und verschwand draußen.
Die hagere Hotelbesitzerin schrie wie am Spieß, als sie das blutige Inferno sah. Mit rasselnden Lungen rannte sie hinunter in die Loge, um von dort aus die Polizei zu holen. Dann keuchte sie wieder nach oben.
Jeanette lag auf dem Teppichboden. Ihr Atem ging ganz flach, und die Augen waren weit aufgerissen.
»Jean«, keuchte sie. »Er heißt Jean.«
»Weiter?« fragte die Pensionsbesitzerin. »Rede, Jeanette, rede, um Gottes willen!«
»Er sucht - Nathalie De ...«
Plötzlich fiel der Kopf des Mädchens zur Seite. Da wusste die Frau, die auf dem Boden kniete, dass es mit Jeanette Doubiers Leben zu Ende gegangen war.
»Was genau sagte Mademoiselle Doubier vor ihrem Tod?«, erkundigte sich Kommissar Palon.
»Sie sagte: 'Er sucht Nathalie De' Ja, das sagte sie.«
»Mehr nicht, Madame Blanchard? De allein ist kein Name.«
»Sie hatte nicht mehr die Zeit dazu«, sagte Madame Blanchard schluchzend und legte die Hände vor das Gesicht. »Sie hat es halt einfach nicht mehr geschafft, Monsieur Kommissar. Ich mache mir Vorwürfe.«
»Vorwürfe? Weshalb?«
»Ich hätte eher nach oben gehen sollen. Ich hätte hinaufgehen sollen, als ich den Stuhl kippen hörte. Aber ich dachte mir nichts dabei. Ich habe gewartet und gelauscht. Erst als das Gepolter stärker wurde, bin ich nach oben gelaufen. Wissen Sie, Monsieur Kommissar, man denkt sich dabei nichts, denn oft treiben diese Mädchen mit den Männern sonderbare Spiele. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie treiben manchmal Spiele, die auch Lärm verursachen.«
»Ja, ja«, murmelte Jacques Palon und rieb sich die Stirn. »Es gibt überhaupt keinen Grund für Sie, sich Vorwürfe zu machen, Madame Blanchard. Den einzigen Vorwurf, den ich Ihnen machen muss, ist die Tatsache, dass Sie keinen Meldezettel ausfüllen ließen.«
»Mon dieu!«, rief sie daraufhin mit hochgeworfenen Armen. »Das können Sie in einem Palasthotel verlangen. Aber doch nicht bei mir. Zu mir kommen vorwiegend Mädchen mit ihren Kunden. Sie gehen nach ein oder zwei Stunden wieder. Die Männer, die mit ihnen kommen, wollen unerkannt bleiben. Nein, man würde mir keinen Meldezettel ausfüllen, Monsieur. Und irgendwie muss ich ja wohl existieren.«
Daraufhin nickte Palon. Er wusste über die Problematik, mit der die Stundenhotels in Paris zu kämpfen hatten.
»Und Sie sagten, das Mädchen hat in dem Haus gewohnt, in dem sich das Lokal 'La voile rouge' befindet?«
»Ja, genau
Weitere Kostenlose Bücher