Diverses - Geschichten
Noch schneller war er lautlos die Treppe hinunter geschlichen, hatte sich Stiefel aus dem Schrank genommen, den Schlüssel im Schloss gedreht, und war hinausgeschlüpft in die kalte Winternacht.
Ein unsichtbarer Faden zog ihn voran. Und obwohl er sein Ziel nicht kannte, folgte er der schleichenden Sehnsucht, die ihn auch aus dem Bett geholt hatte.
Es schneite wieder. Der Schnee bildete eine dünne Schicht auf dem Boden, die beim Betreten knackte, als bestünde ihre Oberfläche aus Eis.
Sascha ging weiter. Er zog den Mantel vor der Brust zusammen und legte das Kinn auf den Kragen. Es war kalt, bitterkalt, und Sascha beschlichen Zweifel. Doch musste er es wissen, musste sehen, ob die Erzählung der Wahrheit entsprach. So verrückt, so unglaubhaft sie ihm auch erschien, so besaß sie jedoch einen anderen Kern als die Geschichten, die ihm vertraut waren.
Er spürte, dass Johannes diese Geschichte ernst gemeint hatte und wusste ebenso, dass er dieser Ernsthaftigkeit verpflichtet war.
Sascha ging weiter. Es hörte auf zu schneien, und der Mond trat hinter einer grauen Wolke hervor. Auf einmal war die Welt mit einem feengleichen Schimmer erleuchtet. Sterne blinzelten und warfen winzige Lichter auf die funkelnden Kristalle zu Saschas Füßen.
In der Ferne standen aufrecht die finsteren Tannen, betrachteten den kleinen Jungen, der sich so furchtlos durch die Nacht bewegte.
Dann ging alles sehr schnell.
Ein Windstoß fuhr über das Feld, blies weißen Staub auf, ließ ihn in einem weißen Wirbel in die Höhe steigen. Und als Sascha die Augen wieder öffnen konnte, da erblickte er inmitten des eisigen Nebels einen mageren, krumm gewachsenen Mann.
Sascha blieb stehen. Seine Augen wurden größer. Er vergaß die Kälte, vergaß die winzigen Eisstücke, die immer noch um ihn herum wirbelten, seine ungeschützter Haut trafen. Das Einzige, was er noch bemerkte, war der glänzende Apfel in Josefs Hand. Denn dass es sich bei dem ausgemergelten Skelett um Josef handelte, dafür sah er keinen Zweifel.
Langsam kam er näher, ging auf den Mann zu. Dessen Mund öffnete sich, geradeso als erschrecke er, als hätte er nicht zu hoffen gewagt, dass ihn jemand wahrnahm. Doch dann, gerade so, als erinnerte er sich in diesem Augenblick an seine Aufgabe, streckte er Sascha seine klauenartige Hand entgegen.
"Ich hab hier etwas für dich, kleiner Junge, es kostet dich auch nichts, kein Geld zumindest."
Sascha schüttelte den Kopf, wich aber nicht zurück. Die heisere Stimme des Mannes nahm einen flehenden Ton an.
"Siehst du nicht, wie er glitzert. Es ist reinster Diamant. Hast Du eine Ahnung, wie dein Leben aussehen kann, wenn du ihn dein Eigen nennst? Ewiges Glück, ewige Seligkeit, weniger verspreche ich dir nicht.“
Wieder schüttelte Sascha den Kopf.
"Ich will meine Seele nicht verkaufen "sagte er leise.
"Ich weiß von einem Handel mit Luzifer. Ich bin nicht dumm. Auf so etwas falle ich nicht herein."
Die dünne, trockene Haut über den Knochen von Josefs Gesicht spannte, als sein Mund einen weinerlichen Ausdruck annahm.
"Aber du bist stehengeblieben, der Stein bedeutet dir etwas. Du siehst, was in ihm schlummert.“
Sascha schüttelte wieder den Kopf.
"Ich wollte nur sehen, ob du wirklich bist. Er war so anders heute Abend, so, als enthielte jedes seiner Worte eine Bedeutung."
Josef sah ihn verständnislos an.
"Ich weiß nicht, wovon du redest." Er senkte den Kopf. „Aber jetzt sehe ich, wie schlimm es wirklich um mich steht, dass ich es nicht einmal verdient habe, meinem eigenen Albtraum ein Ende zu bereiten." Er sah wieder hoch.
"Wie konnte ich nur versuchen, ein Kind in diesen Abgrund zu zerren?"
Dicke Tränen kullerten aus dem geröteten Augen.
„Ich habe die schlimmste Strafe verdient. Luzifer hatte Recht, für mich gibt es keine Vergebung."
Das Mitleid, das Sascha spürte, wuchs nun in ihm an, schwoll empor, bis seine eigenen Augen feucht wurden.
Er ging einen Schritt auf Josef zu und streckte die Hand aus. Er stand kurz davor, den Apfel zu berühren, zögerte und wollte dann doch Josefs Hand ergreifen, als auf einmal hinter ihm schnelle Schritte klangen und er starke Arme spürte, die ihn zurückrissen.
Sascha keuchte, aber lauter noch keuchte Johannes hinter ihm.
"Wie kannst du es wagen", stöhnte er. „Wie kannst du es wagen, ein Kind dort hineinzuziehen?"
Josefs Augen wurden größer, seine Lippen bebten.
"Das ist mein Neffe, den du verdammen willst. Hast du uns nicht bereits genug
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