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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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ihr Pullover war für die Jahreszeit zu dünn und der Ausschnitt so tief, dass er großzügig Einblick in ihr Dekolleté gewährte. Ihre Hose spannte über den Hüften. Aus all dem konnte Kerra Schlüsse ziehen und ein Urteil fällen, was sie mit der Mühelosigkeit jahrelanger Erfahrung auch tat. »Ich habe alles gesehen, Mum. Und du bist eine Schlampe. Eine Nutte. Eine beschissene Fotze. Du bist noch viel schlimmer. Santo ist tot, und nicht einmal das hält dich ab. Stattdessen ist genau das deine Ausrede. ›Ich Ärmste! Ich leide ja so sehr! Aber eine ordentliche Nummer wird mich ablenken.‹ Ist es das, was du dir einredest, Mum?«
    Dellen wich vor ihrer Tochter zurück, bis sie mit dem Rücken an die Arbeitsplatte stieß. Von einer Sekunde zur nächsten schlug ihre Stimmung um. Tränen schossen ihr in die Augen. »Bitte«, flehte sie. »Kerra. Du siehst doch … Ich bin nicht ich selbst. Du weißt doch, es gibt Zeiten … Du weißt, Kerra … Aber das bedeutet nicht …«
    »Wag es ja nicht!«, schrie Kerra schrill. »Seit Jahren tischst du uns deine Ausreden auf, und ich kann es nicht mehr hören, dieses: ›Deine Mutter hat Probleme.‹ Soll ich dir mal was sagen, Mum? Wir alle haben Probleme! Und meines steht hier in dieser Küche und glotzt mich an wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird: unschuldig und kummervoll, mit diesem ›Sieh nur, was ich alles ertragen muss‹-Ausdruck. Dabei haben wir all die Jahre dich ertragen müssen. Dad, ich, Santo. Wir alle. Und jetzt ist Santo tot, wofür du wahrscheinlich auch die Verantwortung trägst. Du machst mich krank!«
    »Wie kannst du nur … Er war mein Sohn!« Dellen fing an zu weinen. Keine Krokodilstränen, sondern echte. »Santo«, schluchzte sie. »Mein Schatz.«
    »Dein Schatz? Fang ja nicht so an! Er war dir völlig egal, solange er lebte – genau wie ich. Wir waren dir immer nur im Weg. Aber tot ist Santo richtig wertvoll für dich. Denn jetzt kannst du ihn als Entschuldigung hernehmen und genau das sagen, was du eben gesagt hast: ›Es ist wegen Santo. Wegen der Tragödie, die unsere Familie getroffen hat.‹ Aber das ist nicht der Grund. Es ist der perfekte Vorwand für dich.«
    »Sprich nicht so mit mir! Du weißt ja gar nicht, wie ich …«
    »Was? Ich weiß nicht, wie du leidest? Wie du seit Jahren gelitten hast? Meinst du das? Denn alles hatte immer nur mit deinem Leid zu tun. Stuart Mahler zum Beispiel. Alles wegen deines schrecklichen, furchtbaren Leids, das niemand außer dir je begreifen kann!«
    »Hör auf, Kerra! Bitte! Du musst aufhören.«
    »Ich habe es gesehen. Das hast du nicht gewusst, oder? Er war mein allererster Freund, und ich war dreizehn. Und du standest vor ihm, das Top heruntergezogen, der BH verschwunden, und …«
    »Nein! Nein! Das ist nie passiert!«
    »Im Garten, Mum. Ist dir das entfallen? Aufgrund der Tragödie, die gerade über dich hereingebrochen ist?« Kerra brannte innerlich. So viel Energie floss durch ihre Glieder, dass sie kaum wusste, wie sie sich im Zaum halten sollte. Sie wollte schreien und Löcher in die Wände treten. »Ich helf dir auf die Sprünge, okay?«
    »Ich will das nicht hören!«
    »Stuart Mahler, Mum. Er war vierzehn. Er kam zu Besuch. Es war Sommer, und wir haben in der Gartenlaube gesessen und Musik gehört. Wir haben ein bisschen geknutscht. Nicht mal mit Zunge, denn wir waren so verdammt unschuldig! Wir wussten ja gar nicht, was wir taten. Ich bin ins Haus gegangen, um Kekse und etwas zu trinken zu holen, denn es war heiß, und uns war warm und … Mehr Zeit brauchtest du nicht. Na? Dämmert's?«
    »Bitte, Kerra …«
    »Nein. Bitte, Dellen. So hieß das Spiel. Dellen tat, was ihr Spaß machte, und das tut sie immer noch. Und wir anderen schleichen nur auf Zehenspitzen um sie herum, weil wir solche Angst haben, dass es wieder von vorne losgehen könnte, sobald wir irgendetwas sagen oder tun.«
    »Ich kann nichts dafür! Das weißt du doch. Ich war nie in der Lage … Es gibt Dinge, die ich nicht …«
    Laut aufheulend, fuhr Dellen herum und warf sich mit ausgestreckten Armen über die Arbeitsplatte. Die Pose sprach von Unterwerfung und Reue. Ihre Tochter sollte mit ihr tun, was sie wollte. Mit dem Gürtel, der Peitsche, der neunschwänzigen Katze. Was spielte es noch für eine Rolle? Bestrafe mich, geißle mich, lass mich für meine Sünden büßen.
    Aber Kerra wusste es besser, als ihr zu glauben. Zu viel war bereits geschehen.
    »Komm mir bloß nicht so«, sagte Kerra,

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