Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
eine Art Kuriosität betrachtet zu werden, weil sie so lange weg gewesen war.
Deshalb war es ihr so wichtig, genug Geld mitzubringen, um ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Sie besuchte sämtliche Hutläden in Paris, um sich mit den neuesten Modeströmungen vertraut zu machen. Sie kaufte Modejournale, um sie eifrig zu studieren, und wenn sie abends allein zu Hause war, zeichnete sie Entwürfe und überlegte, wie sie sich umsetzen ließen. Sie hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, sich eine kleine Wohnung zu mieten, um genug Platz für die erforderlichen Werkzeuge und Materialien zu haben und ihre Entwürfe auszuführen und zu verkaufen. Dann könnte sie mit hoch erhobenem Kopf nach England zurückkehren und verkünden, dass sie Modistin geworden sei.
So glücklich sie in Paris auch war, ein Problem ließ ihr keine Ruhe. Es betraf Pascal. Sie hatte anfänglich den Verdacht gehabt, dass sie ihm nicht ganz trauen konnte, weil er scharf auf sie war, aber mittlerweile glaubte sie, dass sie sich geirrt hatte, weil sie kaum noch direkt mit ihm in Berührung kam.
Die Mitteilungen, wer ihr Kunde war und wo und wann er sie treffen wollte, wurden durch einen Boten übermittelt; in Paris gab es genug junge Burschen, die nur zu gern für ein paar Centimes einen Brief überbrachten. Später übergab der Kunde ihr einen versiegelten Umschlag mit der vereinbarten Summe. Nur wenn sie einen Herrn im Ritz traf, bekam sie Pascal zu sehen, und diese Begegnungen beschränkten sich auf ein flüchtiges Kopfnicken.
Anfang März aber hatte er ihr eine Nachricht geschrieben und sie gebeten, sich mit ihm in einem Café am Montmartre zu treffen. Da so etwas bisher noch nie vorgekommen war, dachte Belle, dass er vielleicht ihr Arrangement beenden wollte, weil er Angst hatte, sein Arbeitgeber könnte dahinterkommen, oder dass sich einer ihrer Kunden über sie beschwert hatte.
Pascal wartete schon im Le Moulin à Vent , das sich in der Nähe der immer noch nicht vollendeten Kirche Sacré-Cœur befand, und trank ein Glas Absinth. Die Art, wie er auf seinem Stuhl hing, verriet, dass es nicht sein erster Drink war, und er sah so übellaunig aus, dass sie das Schlimmste befürchtete.
»Ah, Belle«, begrüßte er sie und stand etwas unsicher auf. Er rief den Kellner und bestellte einen Absinth für sie, aber Belle lehnte ab und bat stattdessen um ein Glas Wein. Pascal versuchte sie davon zu überzeugen, dass Absinth das Einzige wäre, was man in Paris trinken könne, aber Belle hatte das Getränk schon einmal gekostet, und es hatte ihr nicht geschmeckt. Seit damals fiel ihr immer wieder auf, dass die meisten Gewohnheitstrinker kaum etwas anderes tranken.
»Nun, warum wollten Sie mich sehen?«, fragte sie, nachdem sie ihren Wein bekommen hatte. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Muss es einen besonderen Grund geben, wenn ich mit dir ein Gläschen trinken will?«, erwiderte er.
»Ganz und gar nicht«, sagte sie. »Aber weil es ungewöhnlich ist, dachte ich, dass es vielleicht ein Problem gibt.«
»Das gibt es«, sagte er, stürzte seinen Absinth hinunter und rief laut nach dem nächsten. »Mein Problem ist, dass du deine Nächte mit vielen anderen Männern verbringst, aber nicht mit mir.«
Belle sank der Mut. Pascal wollte bestimmt nicht mit ihr flirten. Er meinte es ernst.
»Wir haben eine geschäftliche Vereinbarung. Es bringt nichts, Geschäft und Vergnügen zu vermischen«, erwiderte sie und lächelte, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen.
»Ich würde dich bezahlen«, sagte er.
Belle wand sich innerlich. Die Wahrheit war, dass sie Pascal abstoßend fand. Der Mann war so schmierig! Sie hatte beobachtet, wie er mit den Gästen im Ritz sprach und ihnen dabei geradezu in den Hintern kroch. Er benutzte ein Haarwasser, das widerwärtig nach Veilchen roch, und seine Hände waren für einen Mann zu weiß und zu schlaff. Aber noch schlimmer war die Art, wie er sieansah, eindringlich und abschätzend, aus kalten, ausdruckslosen Augen, die an ein Reptil erinnerten. Er strahlte keinen Funken Wärme aus, und es schien ihr seltsam, dass so ein Mann überhaupt eine Frau wollte.
»Nein, Monsieur Pascal, ich bin sehr zufrieden mit unserem Arrangement und möchte, dass es so bleibt.«
Es machte ihr nichts aus, dass Pascals Anteil an den Einkünften vermutlich weit höher war als ihrer. Ihr war klar, dass er im Umgang mit wichtigen Gästen und den Besitzern und Leitern des Hotels unterwürfig sein musste, aber es schien noch eine andere Seite an
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