Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
Vom Netzwerk:
per Telegramm anzukündigen und darum zu bitten, dem jungen Reporter zu helfen und eventuell einen Dolmetscher für ihn zu besorgen.
    Um neun Uhr abends deckte Gabrielle gerade die Frühstückstische für den nächsten Tag, als es an der Tür klingelte. Als sie aufmachte, stand Marcel vor ihr.
    »Haben Sie etwas herausgefunden?«, fragte sie und bat ihn herein.
    »Mein Bruder weiß, wo Etienne ist, aber es ist ein paar Kilometer außerhalb von Marseille. Pierre hat mir versprochen, gleich morgen früh mit dem Rad hinzufahren und ihm Ihre Nachricht zu überbringen.«
    »Gott segne Sie, Marcel«, sagte sie und beugte sich impulsiv vor, um ihn auf die Wange zu küssen. »Glaubt er, dass Etienne kommt?«
    »Er hat nur gesagt, dass Etienne nicht der Typ Mann ist, der einen Freund im Stich lässt. Aber er hat auch erzählt, dass er ihn seit dem Feuer nicht mehr gesehen hat. Wir können also nur hoffen.«
    »Wollen Sie nicht noch bleiben und ein Glas mit mir trinken?«, schlug Gabrielle vor. Zum ersten Mal seit Jahren genoss sie es nicht, allein zu sein. Je mehr Zeit verstrich, umso größer wurde ihre Angst um Belle. Im Geiste sah sie vor sich, wie ihre Leiche in die Seine geworfen wurde oder in einer dunklen Gasse lag. Selbst wenn Belle noch am Leben war – der Gedanke, was man ihr antun könnte, war ihr einfach unerträglich. Gabrielle hatte sich vor ein Bildnis der Jungfrau Maria gekniet und für Belle gebetet, aber ihr Glaube war nicht stark genug, um sie davon zu überzeugen, damit genug getan zu haben.
    Etienne stand in der Tür der windschiefen Kate, in der er lebte, und beobachtete, wie Pierre auf dem holperigen Weg zurück in Richtung Marseille radelte. Es war ein herrlicher Frühlingsmorgen, die warme Sonne hatte überall am Wegrand Wildblumen aufblühen lassen, und das Vogelgezwitscher ringsum nahm ihm ein bisschen von seiner tiefen Mutlosigkeit. Es hatte gut getan, Pierre wiederzusehen; sie hatten als Jungen zusammen so viele unschuldige Abenteuer erlebt, und obwohl sie als Erwachsene getrennte Wege gegangen waren, hatten sie die Verbindung nie ganz abreißen lassen.
    Etienne hatte sich selbst den Tod gewünscht, nachdem er Elena und seine Söhne beerdigt hatte. Er hatte sich in dieser Hütte verkrochen und den ganzen Winter damit verbracht, sich bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken, kaum etwas zu essen, sich weder zu waschen noch zu rasieren oder auch nur seine Kleidung zu wechseln. Das Haus verließ er nur, um sich mit Alkohol zu versorgen.
    Erst Anfang März, als das Wetter besser wurde, nahm er seine Umgebung bewusst wahr. Als er eines Morgens auf seinem Strohsack aufwachte, schien die Sonne durchs Fenster und tauchte den Dreck, in dem er lebte, in grelles Licht: leere Konservendosen und Weinflaschen, wohin man schaute, verschimmeltes Brot und ungewaschene Teller auf dem Tisch und auf dem Fußboden Abfall und Asche aus dem Kamin. Ihm fiel ein widerwärtiger Gestank auf   – ob er von ihm selbst oder von Essensresten kam, die auf den Boden gefallen und verrottet waren, wusste er nicht. Aber er wusste, dass es an der Zeit war, etwas zu unternehmen.
    Er war so schwach, dass er die Arbeit nur in kleinen Schritten und mit etlichen Ruhepausen angehen konnte. Allein im Hof Wasser zu pumpen, den alten Kupferkessel zu füllen und Feuer zu machen, bereitete ihm Schmerzen und Atemnot. Aber er rührte keinen Tropfen Alkohol an, und nachdem er den Mist hinausgekehrt und verbrannt, sich gebadet und seine Sachen gewaschen hatte, schlief er am Abend zum ersten Mal seit dem Brand nüchtern ein.
    Körperlich war er inzwischen wieder bei Kräften; die harte Arbeit auf dem Stück Land, das zum Haus gehörte, hatte Muskeln aufgebaut. Das Dach zu reparieren, Holz zu hacken und neue Läden für die Fenster anzufertigen, hatte ihn vom Trinken abgehalten und seinen Schmerz gelindert.
    Es gab immer noch Tage, an denen er vor Zorn fast den Verstand verlor. Er wünschte, er wüsste mit Gewissheit, dass das Feuer im Restaurant absichtlich gelegt worden war, um ihn dafür zu bestrafen, dass er Jacques gesagt hatte, er wolle nicht länger für ihn arbeiten. Wenn er sich dessen sicher wäre, würde er Jacques umbringen. Aber es gab keine Beweise   – die Ursache des Feuers schien der Herd gewesen zu sein.
    Die Frage, die Etienne sich jetzt stellte, war, ob es klug war, nach Paris zu fahren und Belle zu suchen. Der Bruch mit Jacques warendgültig vollzogen, und er konnte fühlen, wie sich in ihm allmählich wieder sein alter

Weitere Kostenlose Bücher