Doctor Boff - Weiberkranckheiten
Bengtsson. Im ersten Fall werde es um eine feste Anstellung gehen. Morgens aufstehen, solide Lebensführung, Vorbild für die Studenten, Einhaltung von Terminen. Im zweiten Fall werde er mehrmals in der Woche der Fürstin Gesellschaft leisten: plaudern, Tee trinken, vielleicht etwas Stärkeres, spazieren gehen, Kutschfahrten in die Umgebung, so dass Rohwedder viel Zeit für seine Versuche bleiben würden. Er habe die Wahl. Boff blickte ihn so lange schweigend an, bis Rohwedder den Blick nicht mehr ignorieren konnte, obwohl seine Dickfelligkeit ihn lange durchhalten ließ.
»Aber nur zur Probe«, murmelte er. »Wenn sie mir Angst einjagt, gehe ich nicht mehr hin.«
»Wie willst du jemals eine Frau finden, wenn du vor alten Fürstinnen Angst hast?«
»Weil sie alt ist und eine Fürstin und weil ich sie nicht kenne. Ihr habt selbst gesagt, sie ist zu viel allein. Das vertragen Frauen nicht. Sie werden wunderlich, und wenn sie jemanden zum Reden haben, reden sie zu viel, weil sie das richtige Maß vergessen haben.«
»Du sollst keinen Redewettkampf austragen. Sie bedroht dich nicht.«
»Und wenn sie mehr will?«
»Ich verstehe nicht.«
»Wenn ich sie verzaubere mit meiner weltläufigen Art? Wenn sie geblendet ist von meinem guten Aussehen?«
»Wir reden jetzt aber von dir, oder?«
Boff hielt dem Jungen einen Spiegel vors Gesicht. Rohwedder begann postwendend damit, Toilette zu machen. Er fragte Hermine nach einem Parfüm. Sie schickte ihn in eine Apotheke. Aber Rohwedder schämte sich, weil er dort seine Unkenntnis zugeben müsste. Er klopfte bei Rosanna, brachte stotternd seinen Wunsch vor und wurde von der begeisterten Hutmacherin in die Wohnung gezogen, aus der er eine halbe Stunde später eingehüllt in eine Duftwolke herauskam, die zwei Hunde, die zu Patientinnen gehörten, jaulend aus der Praxis flüchten ließ. Als der erste konzentrierte Angriff auf die Nase nachließ, wurde daraus ein manierlicher Duft, der zu Rohwedder passte, was er selbst zu glauben begann, nachdem er die entzückten Reaktionen auf sich bezogen hatte. Eine zahnlose Alte keckerte mit offenem Mund und fragte ihn, ob er eine Frau zum Heiraten brauchte. Sie könne ihm weiterhelfen.
Am späten Nachmittag fuhr Boff mit dem duftenden Gelehrten ins fürstliche Anwesen.
»Das sieht ja furchtbar aus«, lauteten Rohwedders erste Worte. »Hier kann man doch nicht wohnen …«
»… sagt der Mann, den ich aus der Schimmelhölle gezogen habe.«
Der Kern der Gebäude war imposant, sogar geschmackvoll. Natürlich fehlte eine pflegende Hand, aber die schiere Größe, die Anlage, das wundervolle Ensemble aus alten Bäumen und Fassaden verlieh dem Anwesen etwas Verwunschenes. Rohwedder wurde still, sein Blick verriet, dass sich der Spötter vor Ängstlichkeit gerade in einen eingeschüchterten Habenichts verwandelte. Natürlich brachte der fürstliche Besitz Besuchern die Bescheidenheit ihrer eigenen Lebensumstände zu Bewusstsein. Aber man konnte nicht so leben, dass man jedes Mal die Flucht ergriff, wenn man auf Wohlstand traf. Dann wäre einer wie Rohwedder von morgens bis abends auf der Flucht gewesen.
Der Diener führte die Besucher ins Zimmer, das auf den Balkon hinausging. Boff wurde den Verdacht nicht los, den Mann auch schon als Gärtner, Kutscher und mit Kochmütze gesehen zu haben.
Die ersten Minuten waren fürchterlich. Rohwedder hielt entweder mit verkniffenem Ausdruck den Mund verschlossen oder sprudelte sinnfreies Zeug heraus, dem weder die Fürstin noch Boff zu folgen imstande waren. Die Hausherrin trug ein braunes Kleid mit weißem Besatz. Es machte sie jünger und stand ihr besser als die hochgeschlossenen Kleider, in denen sie wie verschnürt aussah und die ihr eine Strenge verliehen, für die es keinen Anlass gab. Zum ersten Mal trug sie Schmuck, zurückhaltend, aber sichtbar. Sie hatte erst vor einer Stunde die Ankündigung des Besuchs erhalten. Boff hatte sich für die Kurzfristigkeit entschuldigt und von vornherein Verständnis für ein etwaiges Scheitern geäußert. Umso erfreuter war er, dass die Fürstin das stillschweigende Angebot für eine Absage ignoriert hatte. Sie machte einen aufgeschlossenen Eindruck, wirkte auf einnehmende Art neugierig und stellte Fragen, die Rohwedder unmerklich in die Rolle des Auskunftgebers und Expertenbugsierten. Der eitle Kerl ließ das Angebot nicht ungenutzt, warf sich in die Brust und entpuppte sich dann als ein Mann, der von seiner Wissenschaft einerseits begeistert war, aber
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