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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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nichts«, sagte der Ratsherr kauend, »ich bin kerngesund.« Dies war nur bedingt richtig, denn ihm fehlte die rechte Hand, und weil er mit der Prothese haderte, hatte er sich angewöhnt, auf sie zu verzichten. In wenigen Monaten hatte er gelernt, mit links zu schreiben. Wenn er mit Freunden und Kollegen nachts in einem Gasthaus den Tag bei zahlreichen Gläsern ausklingen ließ, war es eine Frage der Zeit, bis Dosse mitteilte, welche Tätigkeiten ihm bis zum heutigen Tag mit links schwerer fielen als mit der angestammten Hand. Meist waren dann alle schon so betrunken, dass sie Dosses deftige Schilderungen, die er gerne handgreiflich illustrierte, mit Grölen und unanständigen Ausrufen begleiteten.
    Boff kam zum Thema, denn Dosses Teller war schon halb leer. Die Fleischstücke wurden vom freundlichen Koch vorher zurechtgeschnitten. Dosse wunderte sich nicht, dass der Stadtphysicus den entflohenen Hoppe auf den Tisch brachte. Er bedauerte die Flucht, nannte sie Zufall, Unglück, Panne. »Wird nicht wieder vorkommen. Bis zum nächsten Mal. Ihr wisst doch, wie das läuft. Das ist bei Euch Medizinmännern genauso. Irgendwann geht immer was schief. Wann ist Euch denn zum letzten Mal unter dem Messer einer verloren gegangen?«
    Boff verzichtete darauf, ihm die Unterschiede zwischen Frauenärzten und Chirurgen näherzubringen. Bei diesem Mann vermied er es lieber auch, sich »Frauenarzt« zu nennen. Stattdessen sprach er über Tänzer und sein Erwachen sowie über Hoppes Flucht. Dosses fehlendes Interesse am Schicksal des alten Arztes war mit Händen zu greifen. »Für jeden kommt der Tag«, sagte er kauend. »Für den einen später, für den anderen früher. Wie alt ist Tänzer jetzt? Fünfundsiebzig?«
    »Achtundfünfzig.«
    »Na seht Ihr. Da hat man ein erfülltes Leben gehabt und hundert Fässer ausgesoffen. Was willst du mehr? Hundertzwei Fässer aussaufen? Das macht den Kohl nicht fett. Wohlsein! War sonst noch was?«
    Boff widerstand dem Bedürfnis, den Teller auf dem Kopf seines Gegenübers auszuleeren und gründlich zu verrühren. Er sprach über die Befürchtung, dass Tänzer in Gefahr schweben könnte. Dosse betonte so oft, dass Hoppe sich auf und davon gemacht habe, als hätte er die Information aus erster Quelle.
    »Aber wenn nicht?«, insistierte Boff. »Wenn er noch in der Stadt ist und sein Werk zu Ende bringen will?«
    »Dann soll es wohl sein.«
    »Dann soll es wohl sein? Ist das alles, was Ihr dazu sagt?«
    »Ich denke ja. Fällt Euch noch was ein?«
    »Wir sollten Tänzer schützen.«
    »Wie wollt Ihr das denn anstellen? Ihm einen Wächter ans Bett setzen? Tag und Nacht?«
    »Oder zwei.«
    »Oder zwei, damit es doppelt so albern klingt?«
    »Genau das habe ich gestern angeordnet. Zwei Personen nachts, eine Person tagsüber.«
    Dosse wischte sich den Mund am linken Ärmel ab und untersuchte die Lücken zwischen seinen Zähnen mit einer Inbrunst, die nur starke Gemüter ertrugen. Dazu produzierte er saugende Geräusche. Der Mann konnte einen kompletten Schweinestall imitieren.
    »Einer am Tag, zwei in der Nacht«, sagte er nachdenklich schmatzend. »Sieh an. Und das sagt Ihr mir jetzt, nachdem Ihr die Bewachung schon angeordnet habt. Schon daran gedacht, dass das unsere Aufgabe ist? Und dass wir es nicht gern sehen, wenn Laien uns ins Handwerk pfuschen?«
    »Ich kann Euch nicht folgen. In welcher Hinsicht bin ich ein Laie?«
    »In allen Fragen, die Recht und Ordnung und den Schutz der Bürger betreffen.«
    »Ihr meint, ich bin Euch zuvorgekommen? Ihr wolltet Tänzer auch beschützen?«
    »Wollte ich nicht, nein.«
    »Dann, mit Verlaub, verstehe ich nicht, in was ich Euch zuvorgekommen sein soll.«
    »Ihr übt Selbstjustiz.«
    »Ihr scherzt.«
    »Ihr nehmt das Recht in Eure eigenen Hände. Diese Hände sind sicherlich sehr dafür geeignet, Frauen abzutasten und nach allem möglichen zu untersuchen, was einer wie Ihr gern an Frauen sucht. Aber es gibt eine Grenze.«
    »Der Ihr Euch gerade nähert.«
    »Ihr tut naiv, aber Ihr seid es nicht. Ihr wisst genau, was Ihr tut.«
    »Ich bin gespannt.«
    »Ihr bewacht den alten Stadtphysicus, wenn sich das rumspricht, werden die Menschen fragen: Wer hat die Bewachung angeordnet? Und wenn sie hören: der neue Stadtphysicus, werden sie sagen: Oh, das ist aber sehr freundlich von ihm, dass er den alten Mann beschützt. Bisher war so etwas die Angelegenheit unserer Sicherheitsbehörde. Warum die wohl ihrer Pflicht nicht mehr nachkommen? Ob die etwas Besseres zu tun haben

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