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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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befreunden, künftig nicht mehr unter freiem Himmel zu praktizieren?«
    »Ich habe schon in einem Thronsaal gearbeitet.«
    »Ihr würdet Eure Patienten in einem gemauerten Haus empfangen. Das Haus steht nicht in einem Viertel, wo im letzten Jahr noch Seuchen durchzogen und die Flöhe herumspringen. Und Ihr würdet neben Eurer Arbeitsstelle leben, denn Euch würde eine Wohnung zur Verfügung stehen.«
    Pups schaute ihn verzaubert und ungläubig an.
    »Wisst Ihr, was ich verstanden habe? Eine Wohnung, womöglich eine mit Wänden und Decken und Fußböden. Küche?«
    »Ist vorhanden.«
    »Nachbarn?«
    »Sind auch vorhanden. Keine Trinker, keine Familien mit zehn Kindern. Keine Hühner und Schweine, die Euch zwischen den Beinen herumlaufen. Wollt Ihr sehen?«
    Pups stand in der Wohnung, erst im einen Raum, dann im zweiten, zuletzt in der Küche. Er strich über die Herdstelle, alssei sie aus purem Gold. Er klopfte gegen das Glas der Fenster, trat fest auf und prüfte den Fußboden an der Stelle, die er getreten hatte. Er sagte kein Wort, sein Gesicht drückte Konzentration aus. Dann stand er vor der bemalten Wand. Der Künstler hatte darauf verzichtet, die Farbflecken zu entfernen und sie stattdessen in eine Szene integriert. Bäume mit einfallendem Sonnenlicht. Ein Fuchs, ein Hirsch, ein Phantasietier.
    »Herrlich«, murmelte Pups. »Das wird sie beruhigen. Und wenn es sie nicht beruhigt, kann ich ihnen sagen: Schreien nutzt nichts, niemand wird euch hören. Wir sind in einem tiefen Wald.«
    Er trat ans Fenster, zögerte, stieß beide Flügel auf und sog Luft in die Lungen, als sei er am Ersticken gewesen.
    Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Ihr wisst aber, wer ich bin? Es liegt keine schreckliche Verwechslung vor? Ich bin der Zahnpriester. Ich kann keine ordentliche Ausbildung vorweisen und kein Zeugnis. Ich habe alles durch das Leben gelernt. Man hat Hunde auf mich gehetzt, Männer haben mit Pistolen auf mich geschossen, eine Frau hat mir Säure ins Gesicht gießen wollen und dabei ihren eigenen Arm verätzt. Dafür bin ich verurteilt worden und habe Schläge erhalten. In zwei Städten bin ich eine unerwünschte Person. Wenn ich auf dem Gebiet dieser Städte angetroffen werde, bin ich vogelfrei. Wisst Ihr das, und weil Ihr es jetzt wisst, gilt Euer Angebot noch?«
    »Ich wusste es nicht, ich weiß es jetzt, und das Angebot gilt, denn ich werde niemanden aus Eurer Kunst treffen, der so unbeschwert lebt wie eine Prinzessin – solange sie keine Zahnschmerzen bekommt.«
    Nun stand er doch vor dem Doctor. Der spürte den Druck und die Erwartung, und Pups sagte: »Das Beste für mich wäre, mit der nächsten Kutsche das Weite zu suchen. Aber vorher will ich hören, warum Ihr mir diesen Vorschlag macht. Wollt Ihr, dass sie Euch Schnaps über Eure Kleider kippen und Euch als lebende Fackel aus der Stadt jagen?«
    »Ihr übertreibt, die Zeiten sind vorbei.«
    »Sie flackern immer wieder auf, werden vergessen, um nach einiger Zeit wieder aufzuflackern. So ist der Mensch. Wenn er keine Schmerzen hat, wird er übermütig. Wenn er Schmerzen hat, kommt er zu mir und zu Euch und wir sollen ihn wieder heil machen, damit er uns in Brand setzen, schlagen und verleumden kann. So ist der Mensch.«
    »Und doch nehmt Ihr ihm die Schmerzen.«
    »Weil ich nichts anderes kann. Oder nein, das ist nicht korrekt. Weil ich nichts annähernd so gut kann. Und weil das Maul so ein winziger Ort ist. Insgeheim glaube ich, es kann doch nicht so schwer sein, diesen kleinen Raum unter Kontrolle zu kriegen. Ihr habt es viel schwerer. Ein Körper hat Winkel und Ecken, in denen sich Schmerzen und Geschwüre verstecken können. Bei mir reißen sie das Maul auf, und ich sehe alles, was ich sehen will. Ihr müsstet ihnen die Haut vom Leib ziehen, um das Gleiche zu erreichen.«
    Boff lud den Zahnpriester ins Gasthaus ein, nachdem er sich von Hermine hatte bestätigen lassen, dass sie allein zurechtkäme.
    »Das ist nicht der größte Unterschied, aber der schönste«, murmelte Pups. »Meine Assistenten sind immer hässlich.«
    »Schlagt Euch das aus dem Kopf. Ich gebe sie Euch nicht.«
    »Und wenn sie Euch darum bittet?«
    »Auch dann nicht. Dann erst recht nicht.«
    »Und wenn sie bei Nacht und Nebel geht?«
    »Dann heirate ich sie. – Aber wenn Ihr das weitersagt, seid Ihr ein toter Mann.«
    »Ich habe nichts gehört. Habt Ihr eben etwas gesagt?«
    Am Ende teilte er dem Zahnpriester das mit, was der unbedingt wissen musste. Dass der neue Stadtphysicus die

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