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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Verantwortung für alle ärztlich Tätigen in Halle trage, wozu auch die Heiler gehörten. Zahnreißer würde es seit vielen Hundert Jahren geben, bis auf den heutigen Tag seien sie für alle Menschen, die an Zahnschmerzen litten, die Adresse der Wahl, um sich von den Qualen zu befreien. Die Erforschung von Zähnen und Krankheiten der Zähne sei seit einigen Jahrzehnten in Schwung gekommen, auch die Prothesen und Gebisse seien fast schon zumutbar. Vieles müsse noch besser werden, vieles müsse überhaupt erst noch erforscht werden. Sicher werde auch die Ausbildung von Ärzten für die Zähne einen guten Weg einschlagen. Aber jeden Tag erkrankten Menschen an Zahnschmerzen und brauchten heute Hilfe und nicht in fünfzig Jahren. Deshalb wolle der neue Stadtphysicus unter dem Dach des Hauses, in dem er selbst praktizierte, Kollegen aus anderen Disziplinen versammeln – studierte und solche, die vom Leben gelernt hatten.
    »Ich beobachte, zu wem die Patienten gehen. Das kann ich im Einzelfall mögen oder nicht. Aber ich kann es nicht ignorieren, denn alles, was wir Mediziner tun, tun wir für die Patienten. Wenn ich ihnen einen kurzen Weg anbieten kann, wenn ich ihrem Zahnreißer Arbeitsbedingungen verschaffe, die ihn besser arbeiten lassen und sauberer, dann will ich den sehen, der das falsch findet. Nehmt meine Hand, Kollege Pups, auf gute Zusammenarbeit, und wenn Ihr Probleme habt oder bekommt, will ich der Erste sein, dem Ihr davon erzählt.«

33
    Beim Heruntertragen des letzten Korbes knickte der alte Fischer um, stürzte die Treppenstufen herab und trieb sich den abgebrochenen und spitz vorstehenden Griff des Korbes in den Oberschenkel. Das Blut floss reichlich, der Fischer sah sich das an, als habe er damit nichts zu tun. Der Mann, mit dem der Stadtphysicus in diesen Minuten durchs Haus ging, eilte herbei, Hermine brachte, was die Praxis bot. Gemeinsam versorgten sie die Wunde. Noch nie in seinem langen Leben war der Fischer von so viel ärztlicher Kompetenz umgeben gewesen.
    Nun war auch die zweite Wohnung frei geworden. Das alte Paar wollte zurück in sein Heimatdorf ziehen, weil beiden in der letzten Zeit das Treppensteigen Mühe bereitet hatte. Nun sah es so aus, als habe die Treppe es ihnen in letzter Minute heimgezahlt. Der Sohn, lächelnd von morgens bis abends, trug alles zum Wagen und lud es auf. Er besaß Bärenkräfte, er packte geschickt und verknotete alles perfekt. Vielleicht war er im Dorf mit seinen praktischen Anforderungen gut aufgehoben. Es gab viele Menschen, um die man sich mehr Sorgen machen musste. Boff hatte mehrfach angeboten, für den Umzug aufzukommen, aber die neuen Nachbarn aus dem Dorf, die auch die alten waren, rückten in großer Zahl an. Boff, der in seinem Leben drei Dutzend Mal die Wohnung gewechselt hatte, war bei keinem Umzug dermaßen tatkräftig unterstützt worden. Einige Tage hatte ihn das schlechte Gewissen begleitet. Hatte er die alten Leute gedrängt und eingeschüchtert? Aber sie schienen geradezu erleichtert. Zuletzt öffnete der alte Fischer seine Hose und pisste neben die Haustür gegen die Wand. Er behauptete, damit einem alten Fischerbrauch zu folgen, aber das nahm ihm niemand ab.

34
    In den letzten Stunden war das Wetter umgeschlagen. Die Sonne schien immer noch, aber der Wind hatte aufgefrischt, kam jetzt aus Osten und trug eine Kühle heran, die daran erinnerte, dass in manchen Jahren der Herbst kurz ausfiel und sich an einen langen Spätsommer schnell der erste Frost anschloss.
    Lewerkühn hatte seine Kutsche angeboten, aber Boff hatte abgelehnt, damit der Bote Gelegenheit erhielt, Gäste zu chauffieren, denen er mehr Geld abknöpfen konnte als dem Stadtphysicus.
    Rund um das stattliche Fachwerkhaus war noch unter den alten wärmeren Voraussetzungen geschmückt worden.
    »Zur Not fackeln wir den Schuppen ab«, sagte die alte Gräfin bei der Begrüßung. Aber vorher küsste sie Boff auf beide Wangen und sagte vorwurfsvoll: »Du arbeitest zu viel, mein Sohn.«
    Der Graf, der seine Ohren überall hatte, flüsterte Boff zu: »Mit Schuppen meint sie natürlich das Haus.«
    »Und wie nennt sie den Schuppen?«
    »Alles, was kleiner ist als das Haus, sieht sie gar nicht. Ich hoffe unverdrossen, dass Eure Idee gut war.«
    Das Fest ging auf eine Anregung von Boff zurück. Er hatte vorgeschlagen, die Welt in die Einsamkeit zu holen. Ablenkung, geistreiche Unterhaltung, neue Gesichter, Auffrischung alter Kontakte – daran war nichts schlecht. Vielleicht konnte die

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