Doctor Boff - Weiberkranckheiten
tun, dann werde man dafür sorgen, dass er nach dem Unglück mit seiner Frau wenigstens nicht auch noch finanziellen Schaden erleiden werde?«
Die Art, wie Blicke über den Tisch flogen, gefiel Boff gar nicht. Plötzlich hatte er Lust auf einen Schluck. Damit der schlechte Geschmack aus dem Mund verschwand. Am Ende schossen sich die Blicke auf die beiden Ärzte ein. Einer musste die undankbare Aufgabe übernehmen. Er tat es sichtlich unwohl und gewunden. »Genaues weiß man nicht«, murmelte er. »Aber geredet worden ist darüber. Es hat wohl auch ein Treffen stattgefunden, mit Hoppe. Außerhalb der Stadt, weil man kein Risiko eingehen wollte. Man hat schon Pferde kotzen sehen. Hoppe geht es finanziell schlecht. Er hat sein gesamtes Geld für die Behandlung seiner Frau ausgegeben.«
Boff meldete sich zu Wort: »Man könnte sich also in einer Weise einigen, dass Hoppe aktiv wird und im Gegenzug seine Schulden verschwinden.«
»So könnte man sich das denken«, bestätigte der Arzt.
Boff fuhr fort: »Und gebraucht hat man Hoppe, weil man einen nützlichen Narren brauchte. Es ging gar nicht gegen Tänzer persönlich. Es war reiner Zufall, dass die Wahl auf Tänzer fiel. Es hätte auch einen General treffen können oder den Bürgermeister.«
»Oder Euch.«
»Oh! Aber man brauchte jedenfalls eine Tat, die Aufsehen erregt, über die alle in der Stadt reden, und man musste vorher dafür sorgen, dass der Täter eine Nähe zu den Heilern besitzt, damit schon mal ein kleines Feuer brennt, bevor das große Feuer angezündet wird. Ein Mord als Bauernopfer. Darauf muss man erst einmal kommen.«
»Aber natürlich ist nichts bewiesen«, beeilte sich der Arzt zu sagen. »Es wird sich auch nie etwas beweisen lassen. Man weiß gar nicht, mit wem sich Hoppe getroffen hat. Und wenn er jetzt etwas sagt, wird ihm niemand ein Wort glauben. Mich persönlich würde es nicht wundern, wenn dem Mann im Zuchthaus ein Malheur widerfahren sollte. Ich höre, dass er in der Küche arbeitet. So eine Küche ist voller spitzer Gegenstände. Ein Chirurg hat nicht so viele scharfe Instrumente wie eine Küche im Krankenhaus oder in der Kaserne. Oder eben im Zuchthaus. Einmal ausgeglitten, einmal falsch zugegriffen, einmal das Falsche gegessen. Glassplitter sind gar nicht gut für die Verdauung. Das Leben ist ein gefährliches Spiel.«
Nun wurde doch getrunken, nachgeschenkt und mehr getrunken. Janet von Priehn begann von der Lage in England zu erzählen. Das große Dreckloch London, die Ärzte, die unfassbare Armut. Wie reich die wenigen an der Spitze waren und wie entsetzlich viel Hunger die übrige Bevölkerung litt.
»Ich habe das nur kurze Zeit erlebt, es war das Schlimmste, was ich je gesehen habe. Dagegen ist Halle eine Puppenstube. Deshalb bin ich sehr aufmerksam, wenn bei uns Zustände wie in London eintreten sollten. Und sei es nur auf einem kleinen Sektor. Ich habe mich entschlossen, mein Haus einem Heiler zur Verfügung zu stellen.« Sie nickte dem Mann neben sich zu. »Er wird das tun, was ein Bader tut. Vielleicht ohne das Badehaus, aber eine Wanne gibt es in meinem Haus und hundert Tücher und Decken und zwei Wäscherinnen, die jeden Fleck aus derWäsche bringen, den es auf der Erde gibt. Jeden! Ich weiß, Ihr denkt jetzt an ganz bestimmte Flecken. Ich versichere Euch: Auch die bekommen sie heraus. Mein Mann, die liebenswerte Seele, ist einverstanden und wird jedenfalls nicht opponieren. Möglicherweise wird er morgen Vormittag eine Dienstreise antreten, die sich kurzfristig ergeben hat. Mancher kann nicht über seinen Schatten springen, aber er bleibt ein liebenswerter Mann. Eine Zusage hat er mir abgerungen: nur Frauen und Kinder. Ich habe vor, mich daran zu halten, obwohl es leicht wäre, Ausreden zu finden.«
Sie ließ sich vom Heiler eine Zigarre schneiden und in Brand setzen. Mit dem ersten Zug nebelte sie den halben Raum ein. »Geht doch«, murmelte sie zufrieden und hustete.
Boff wollte das Wort ergreifen, als die einzige Frau in der Runde sagte: »Eins habe ich noch vergessen. Einige Freundinnen werden so verfahren wie ich. Und eine Bekannte, vielleicht zwei.«
Am Ende nannte sie die Zahl »achtzehn«, betonte aber, dass sie das erst glauben werde, wenn sie es mit eigenen Augen gesehen habe.
»Keine Angst?«, fragte der Mann vom Militär lächelnd.
Sie schüttelte den Kopf und versetzte den Rauch in Schlieren. »Es gibt einen Zeitpunkt, da musst du dich entscheiden. Wegsehen oder hinsehen. Mancher besitzt die
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