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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Ausmaß verwurmt, dass man die guten nicht von den bösen Heilern unterscheiden könne. Die Gelegenheit sei einfach günstig gewesen, deshalb habe man sich hinreißen lassen. An die Möglichkeit erwähnenswerter Proteste habe man nicht gedacht. Der mittellose Teil der Bevölkerung war nur zahlenmäßig stark, aber zu dumm, um strategisch zu denken, und zu ängstlich, um Gewalt anzuwenden. Protestierende Menschen auf den Plätzen und Straßen konnte sich niemand im Rathaus vorstellen. Hätte es sich um Hunger gehandelt oder eine Seuche! Um kriegerische Auseinandersetzungen! Aber es ging doch nur darum, einige Halunken auf elegante Weise loszuwerden. Zwei, drei Tage werde es bestimmt aufgeregt und hektisch werden. Aber die Menschen neigten dazu, sich genauso schnell auch wieder zu beruhigen. Niemand würde seinem Arbeitsplatz fernbleiben, kein Handwerker würde sich Aufträge entgehen lassen. Niemand werde riskieren, Anordnungen der Stadt zu missachten. Und falls es doch geschähe, würde sich die Zahl der Protestierer auf eine Handvoll belaufen, maximal auf wenige Dutzend. Die würden nach bewährter Manier isoliert werden. Man würde sie streng ermahnen, und wer dann noch eine freche Miene an den Tag legte, werde sich wundern, wie schnell er sich vor dem Gericht oder vor den Toren der Stadt wiederfinden würde.
    »Sie haben vorgefühlt«, berichtete der mit der Nähe zum Militär. »Sie tun so, als sei dies eine theoretische Frage, aber die Besorgnis steht ihnen ins Gesicht geschrieben.« Angeblich sei vom Militär die Antwort gekommen, sich nicht in innerstädtische Händel einmischen zu wollen. Man sei bereit, sich zu zeigen, um erhitzte Gemüter zu beruhigen. Keineswegs werde man Gewalt gegen Bürger einsetzen. Man wolle neutral bleiben.
    Man befragte den Kenner des Militärs, was geschehen werde, wenn sich die Dinge zuspitzten. Es kommt zu einem Todesfall, die Menschen sind empört, die Menge schwillt an, mehrereHundert ziehen Richtung Rathaus, einige tragen brennende Fackeln.
    Er lächelte unfroh: »Mancher denkt, im Militär versammelt sich alles, was keine Lust zum Denken hat und nur auf Befehle reagiert. Das ist immer falsch gewesen, aber diejenigen, die dafür da sind, an die Menschen zu denken, die haben es auch nicht so mit dem Denken. Jeder Offizier, jeder Soldat hat eine private Meinung. Er hat zwei Ohren und zwei Augen, und er sieht, was sich in diesen Tagen abspielt. Seine private Meinung ist nicht gefragt, und im Fall des Falles wird er aus Überzeugung gegen seine private Meinung handeln. Aber die Meinung an sich, die besteht. Und ich kann Euch sagen: Ich habe selten so viele verächtliche Ausdrücke in den Gesichtern der Männer gesehen. Es gibt eine Pflicht zum Frieden auch mitten im Frieden.«
    Boff sagte: »Ihr wisst, dass Ihr die Frage nicht beantwortet habt.«
    »Ich weiß. Ich weiß aber auch, dass ich in einem Kreis mit klugen Menschen sitze.«
    Klarer würden sie es nicht bekommen, aber keiner war im Zweifel. Das Militär würde aufmarschieren. Wenn ein Feuer drohte oder wenn das Rathaus bedroht wurde, würde das Militär marschieren. Es würde nicht sofort schießen. Die Disziplin war gut, man befand sich in Preußen und nicht auf dem Balkan. Aber wenn zwei bis drei unglückliche Verwicklungen stattfinden würden, könnte man in zwei Tagen Krieg in Halle haben.
    Wer daran Zweifel hegte, dem wurde der Zweifel von einem der Ärzte ausgetrieben. Er berichtete über Kollegen, die in diesen Stunden dabei seien, Provozierer und Störer einzukaufen. Diese Agenten sollten die Stimmung anheizen und dafür sorgen, dass die Heiler als gewalttätig dastünden. Diese Agenten sollten sich so schlecht benehmen, dass jemand reagieren musste. Dass am Ende Gewalt stehen sollte, war der Sinn des Ganzen. Dass die Bevölkerung Sympathie mit den Heilern zeigen würde, wurde von allen Kennern der Materie als sicherunterstellt. Deshalb dachten sie über den zweiten und dritten Zug des Spiels nach. Wenn schon Zuspitzung, dann auf eine Art, dass am Ende die Heiler nicht als Märtyrer dastünden, sondern als Verbrecher und Brandstifter. Auch ein Mörder wäre gern gesehen.
    »Es ist nur ein Gedanke«, sagte Boff versonnen. »Und ich will nichts unterstellen. Aber Ihr seid die Richtigen, um mir eine Antwort zu geben. Hoppe, der Mann, der den guten Tänzer erschlagen hat, war das wirklich nur ein zorniger Mann, der seine Frau rächen wollte? Gibt es vielleicht jemanden, der dem Hoppe gesagt hat, er soll das und das

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