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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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verfehlte, flackerte eine jähe Wut hinter seinen Augen auf. Mit der ganzen Kraft seiner Arme prügelte er auf den Eimer ein, aber dennoch übermannte ihn wilder Zorn. Der Eimer knackte, bekam Risse und streckte seine Einzelteile von sich. Auf einen kaputten Eimer einzuschlagen war äußerst unbefriedigend. Welpe war tot, aber nicht zerstört wie dieser Eimer. Zusammengerollt. Erst warm … dann kalt. Mit Natalja und Dimitri als Zuschauern.
    Seine Hiebe wurden langsam schwächer, bis er die Arme am Körper herabhängen ließ.
    Romotschka, Romotschka. Es tut mir so leid, Romotschka. Wir haben eine schlechte Nachricht. Wir wussten nicht, wie wir dicherreichen sollten. Er war sehr krank, Romotschka. Wir haben getan, was in unseren Kräften stand .
    Er hatte nichts dazu gesagt. Er hatte sich bloß kurz gefragt, ob irgendwer ein Stück von Welpe gefressen hatte, ob ein paar hungrige Hunde gekommen waren, während er wehrlos dalag. Fremdlinge. Dann hatte er gemerkt, dass Dimitri ihn anfassen wollte. Und hätte ihm am liebsten das Gesicht mit der Keule zertrümmert.
    Er setzte sich auf den plattgeschlagenen Eimer und starrte in die Ferne, die Keule auf den Knien. Er befand sich an der Hangseite, von der man den bewaldeten Friedhof und die viel dichteren Wipfel des Waldes überblickte. Die Bäume auf dem Friedhof sahen winterlicher aus als die im dahinter liegenden Wald. Sie schwankten leichter im Wind.
    Der Herbst ging allmählich zu Ende. Die große Eiche in seiner Nähe war schon ganz kahl; die schwarzen Zweige mit ihren zerfetzten Laubresten streckten ihre vielgliedrigen Hände in den dunklen Himmel. Er sah, wie der Pelz aus Flechten der Silhouette einen ausgefransten Saum verlieh. Da, wo der Wald mit dem Friedhof zusammentraf, sah er Eichhörnchen hin und her flitzen und zielstrebig im fallenden Laub nach Nahrung suchen. Auch er musste nach Nahrung suchen, und sei es nur Mamotschka zuliebe, die trächtig war und bald werfen würde. Der Winter stand kurz bevor. Ein Winter ohne Welpe: weder warm und getröstet, Romotschkas Arme um den unansehnlichen kleinen Körper geschlungen, noch nach Seife stinkend unter den Decken im Zentrum.
    Er hätte Dimitri schlagen sollen. Dimitri war für Welpe verantwortlich gewesen und musste irgendetwas falsch gemacht haben. Doch bei dem Gedanken krampfte sich sein Magen zusammen, und ihm wurde ganz flau. Am liebstenhätte er sich übergeben, um den Magen zu leeren, doch es gelang ihm nicht, und die Verkrampfung blieb. Er bekam keine Luft mehr und hustete, um den dicken Holzpfropf zu lösen, der in seiner Brust zu sitzen schien. Dann schloss er die Augen.
    Plötzlich stellten sich seine Nackenhaare auf. Irgendein dummer Streuner versuchte, sich gegen den Wind an ihn heranzuschleichen. Der Hund roch nach Angst, Hoffnung und Unerfahrenheit. Romotschka öffnete die Augen so weit, dass er durch den grauen Vorhang der Wimpern schauen konnte. Es war ein großer, magerer Hund, nicht mehr als ein Schatten im Abenddunkel. Irgendetwas stimmte nicht. Der Hund keuchte, er machte zu viel Lärm, während er auf ihn zuschlich, und sein seltsamer, übler Geruch wehte direkt zu ihm herüber.
    Romotschka seufzte zweimal, als wäre er noch immer in seiner eigenen Welt, ergriff aber seine Keule. Als der Hund schließlich sprang, war Romotschka schneller auf den Beinen, als die Ratte aus dem Eimer geschossen war, und schlug mit aller Kraft und Schnelligkeit zu. Die Keule traf das Tier unterm Ohr, und Romotschka hörte ein befriedigendes, deutliches Knirschen. Sein Kampfknurren wurde leiser, und er sah voller Glück, wie der jaulende Hund kurz taumelte, den zerschmetterten Kopf gesenkt, das unversehrte Auge vorn. Das Tier blieb stehen und stand mit schwankendem Kopf da. Dann brach es zusammen und blieb reglos liegen.
    Romotschka ging zu ihm. Sein Glücksgefühl kühlte sich ab und verschwand so schnell, wie es gekommen war. Der Hund zuckte noch leicht, doch er lag im Sterben. Romotschka sah seinen abwesenden, furchtlosen Blick. Er spürte, wie ihm das Blut aus den Gliedern wich und ihn ein Gefühl derSchwäche und Mattigkeit übermannte. Er hatte noch nie einen Artgenossen getötet. Sein Magen krampfte sich noch fester zusammen.
    Romotschka ließ den toten Hund liegen und ging den Berg hinunter nach Hause. Er hatte keinen Hunger, hielt es aber für besser, sich satt zu essen und dann zu schlafen. Zu seiner Erleichterung warteten Weiße Schwester und Grauer Bruder am Bergtreffpunkt auf ihn. Er hätte das

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