Dog Boy
Schatten und stellte sich breitbeinig hin, die Arme eng am Körper. Er hörte, wie sie nach Atem rang. Sie kannte ihn ebenfalls. Alle hier wussten, dass er nicht zu ihnen gehörte, dass er wild war und Hunde hatte. Sie blieb reglos stehen, blickte aber ängstlich in den hinter ihm gelegenen Wald. Sein Herz pochte laut, und er wusste, dass er davonlaufen sollte, rührte sich aber nicht vom Fleck.
Sie neigte den Kopf, und er sah, wie das Feuer die eine Hälfte ihres schönen Gesichts beleuchtete. Jetzt schaute sie ihn direkt an, blickte ihm in die Augen, und in dem flackernden, klangerfüllten orangefarbenen Licht glühte ihr Gesicht. Plötzlich öffnete sie wieder ihren breiten, gespaltenen Mund und sang, mit dem Rücken zum Feuer, den Blick auf Romotschka gerichtet und ihre schlafende Tochter fest umklammert. Er stand wie erstarrt, wie ein Hirsch in einem Lichtstrahl. Irgendetwas in ihm stieg mit ihrer Stimme in den schwarzen Himmel und bauschte sich, bis er, Romotschka, den riesigen Nachthimmel über dem Feuer, dem Berg und dem Wald ausfüllte.
Plötzlich nickte sie ihm zu, ihr Mund wölbte sich um das schwarze Loch, aus dem sich ihre wunderbare Stimme ergoss, und er kam wieder zu sich. Den Blick immer noch auf ihn geheftet, nickte sie mit dem Kopf, was er als Dank, ja gar als vertrauensvollen Abschiedsgruß auffasste, und drehte sich, immer noch singend, wieder zurück zum Feuer und zu den anderen Menschen. Er war so glücklich, dass er es kaum aushalten konnte. Lautlos rannte er davon und spürte, wie erst Grauer Bruder und dann Weiße Schwester aus verschiedenen Waldstücken hinter ihm auf den Pfad schwenkten.
Romotschka kehrte oft zurück, um dem Gesang zu lauschen, doch erst nach vielen Besuchen sah er die Sängerin wieder. Sie war allein und krank; ihre Stimme hatte den Klang verloren, der ihn so sehr fasziniert hatte. Sie flatterte wie ein kranker Vogel, der nicht fliegen konnte, und Romotschka war wütend und enttäuscht.
Er wartete, bis sie zu ihrer Hütte zurückstapfte, und schlich sich dann aus dem Wald ins Licht ihres Feuers, bloß um zu sehen, wie sie reagieren würde. Sie schrie auf, griff sich an die Brust und schnappte vor Angst nach Luft. Im ersten Moment war er zufrieden, aber dann ärgerte er sich über sie. Sie riss sich zusammen, und die beiden standen sich im tiefen Schnee gegenüber. Ihre Fackel knisterte zwischen ihnen, und das Licht schimmerte auf den blassen Birken. Das zischend heiße Gummi, das um ihren Stock gewickelt war, kam ihm ungeheuer laut vor, und er senkte verlegen den Blick. Sie sog ihren Speichel in den offenen Mund zurück, und Romotschka blickte auf. Sie nickte ihm wieder zu, doch diesmal ohne die Sprache des Abschieds, packte die Fackel mit einer Hand, beugte sich langsam vor und streckte die bandagierte Hand aus. Mit bloßen Fingerspitzen streifte sie seine Wange, und ihre Augen lächelten. Er wirbelte herum, sprang davon, und in den Schneewehen des Waldes hatte er das Gefühl, als hätte sie doch gesungen wie beim ersten Mal.
Die Kälte nahm zu. Die Hunde waren unruhig, Tag und Nacht. Zunächst war die Nahrungssuche nicht allzu schwierig: Ob Tier oder Mensch, am Berg kämpften alle ums Überleben. Die Toten wurden rasch vom Schnee begraben, doch meist konnte das Rudel mehrmals zu einer frischen Leiche gehen, bevor sie verloren war.
Romotschkas gemütliches Welpenleben vom vorigen Winter glich jetzt einem Traum. Er musste in der Höhle bleiben, bei Mamotschka trinken, wenn sie auftauchte, und essen, was die Hunde ihm mitbrachten. Da sie alle auf Nahrungssuche gingen und keine Welpen da waren, herrschte in der Höhle eisige Kälte. Mamotschka hatte nicht genug Milch, um ihn sättigen, ja kaum genug, um ihn aufwärmen zu können. Er zog die Strumpfhose an, die drei Hosen, alle langärmeligen Kleidungsstücke, stülpte sich Socken über Hände, Füße und Kopf und kuschelte sich zitternd in den Mantel. Er schüttelte eine der haarigen Decken auf dem Bett aus und schlang sie um sich. Außerdem versuchte er, einen Hund zu überreden, dass er bei ihm blieb, doch nur Weiße Schwester verstand, was er wollte. Eng an sie geschmiegt, würde er zitternd warten, bis die anderen zurückkehrten.
Er schlief unruhig und träumte von der Sängerin, deren Stimme die Luft mit der Gewalt eines Schneesturms heimsuchte, und doch so sonnig, so sternenklar war und so kräftig den Mond anheulte. Manchmal fühlte er sich in ihren Knoten und Schleifen gefesselt und hilflos; dann wieder
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