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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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kannte sie das menschliche Wort »Hund«. Ihm fiel auf, dass er noch nie erlebt hatte, wie sie einem Menschen absichtlich Angst einjagte. Vermutlich knurrte sie die Leute nur an, um ihn, Romotschka, oder einen ihrer Welpen zu beschützen. Er sah, dass sie für alle Menschen, denen sie begegneten, eine grundlegende Achtung und Zuneigung empfand, und das stimmte ihn nachdenklich.
    Vielleicht konnte man von den Menschen auch auf andere Weise etwas zu fressen bekommen.
    Er stellte fest, dass die Menschen zu Hunden relativfreundlich waren. Also forderte er Weiße Schwester und Grauer Bruder auf, sich neben ihm auf die Straße zu setzen, und brummte sie böse an, wenn sie jemanden anknurrten oder auch nur die Zähne fletschten. Beide saßen geknickt da – die Ohren flach am Kopf, den Blick voller Unbehagen mal hierhin, mal dorthin gerichtet, aber trotz allem ziemlich ruhig. Er selbst stellte sich mit einer Plastiktüte vor das Teremok Restaurant an der Metrostation und sprach jeden an, der hineinging. Mit seiner krächzenden Kinderstimme wiederholte er immer wieder die lange eingeübten Worte: »Bitte, eine kleine Gabe. Schöne Hunde, hungrig.«
    Die Menschen musterten ihn und die Hunde und lachten. Die Hunde waren tatsächlich schön: einer weiß, einer golden und einer grau.
    »Was willst du von mir, Junge?«
    »Futter, bitte, für die hungrigen Hunde. Wenn Sie fertig sind.«
    Viele der Angesprochenen warfen ihre Essensreste in seine Tüte, wenn sie wieder aus dem Restaurant herauskamen. Sogar die Angestellten von Teremok taten das gelegentlich. Wenn man ihm Geld anbot, schüttelte er den Kopf, und das verstärkte noch seinen Erfolg. Manche Leute schenkten ihm dennoch Münzen, und er legte bei seinen Schätzen in der Ecke der Höhle einen kleinen Geldvorrat an.
    Die Situation geriet nur außer Kontrolle, wenn jemand versuchte, die Hunde zu streicheln. Weiße Schwester und Grauer Bruder fielen sofort aus der Rolle, die sie spielten, schnappten wütend und versuchten davonzulaufen. Romotschka begann, sich direkt vor die Hunde zu stellen, um streichelnde Hände abfangen und mit ernstem Nicken sagen zu können: »Sie sind hungrig. Sie beißen. Feste.«
    Wenn er genug gesammelt hatte, tollten sie zu dritt davon, er mit federndem Gang, die Hunde mit freudig wedelndem Schwanz. Sobald sie außer Sichtweite waren, überprüften sie ihre Ausbeute, und er küsste die tapferen Hunde und lobte sie überschwänglich.
    Diese Art der Nahrungssuche machte zwar nicht so viel Spaß, doch er hatte dabei ein gutes Gewissen. Er würde mit einer schweren Tüte nach Hause kommen, und alle könnten reichlich fressen. Mamotschka würde mit ihnen zufrieden sein. Immer wieder beobachtete er andere Bettler und übte ihre Worte. Um Christi willen, eine kleine Gabe! Die professionellen Bettler störten sich nicht an ihm. Manche nickten ihm sogar zu, wenn er vorbeiging. Schon bald verbreitete sich in ihrem stadtweiten Netz die Nachricht, der verrückte Hundejunge sei harmlos und nehme kein Geld an, deshalb ließen ihn die Bettelmeister in Ruhe.
    Bei der Nahrungssuche in der Stadt wuchs Romotschkas Selbstvertrauen, und dasselbe galt für seine Fähigkeiten bei der Jagd. Er arbeitete zunehmend besser mit seinen Geschwistern zusammen, und die lernten schnell, seine Schwächen auszugleichen und auf seine Stärken zu vertrauen. Er war ein besserer Stratege als die anderen, und unter seiner Anleitung brachten sie regelmäßig gute Nahrung nach Hause. Sie begannen, sich von ihm führen zu lassen und seinen Plänen zu folgen.
     
    ~
     
    Auf einer ihrer Jagden in der Stadt hatten Romotschka und Grauer Bruder einen großen rötlichgelben Kater in einer Sackgasse eingeschlossen. Romotschkas Herz pochte vor Aufregung. Er kauerte mit ausgestreckter Keule auf demBoden. Grauer Bruder hatte sich ebenfalls hingekauert, bereit aufzuspringen oder den Körper flach auf den Boden zu drücken, je nachdem, was der Kater machte. Die Hunde und Romotschka jagten Katzen nur, wenn ihnen welche über den Weg liefen – fasziniert von ihrer plötzlichen Geschwindigkeit auf der Flucht, ihrem Ungestüm und ihrer Brutalität, wenn sie in die Enge getrieben wurden –, doch sie machten sich keine Hoffnung, je eine zu fangen.
    Die Katze machte einen Buckel und stand dann reglos da, der gesträubte Schwanz so dick wie Romotschkas Arm. Sie fletschte die kleinen Zähne und fauchte zweimal. Romotschka kicherte und kläffte. Ja, das würde er auch tun, fauchen und nachdenken, fauchen und

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