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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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schmales, unordentliches Zimmer. Auf einer Seite stand ein niedriges, durchhängendes Bett, das deutlich nach Laurentia roch; eine Bank mit einer elektrischen Kochplatte auf der einen und drei halbleeren Einmachgläsern auf der anderen Seite. In der Mitte lag ein angeschnittenes Brot, und die ganze Bank war mit Krümelnbedeckt. Er roch die ausgetrocknete Schnittfläche des Brotes und die weiche Frische darunter. Das Zimmer war richtig gemütlich. Romotschka konnte kaum glauben, dass Laurentia ihn hereingebeten hatte. Vermutlich waren ihr Bett und die Decke trocken. Alles war bestens eingerichtet, hier und da ein Happen zu essen, immer griffbereit, wenn man etwas brauchte.
    Er starrte auf ein ausgeblichenes Bild mit einem blauen Himmel über einer von der Sonne beleuchteten Stadt. »Wenn ich meine Schulden bei diesen dreckigen Schurken abbezahlt habe, geh ich wieder zurück«, murmelte Laurentia seufzend.
    Sie griff nach einem großen Glas mit Keksen, das auf einem hohen, schiefen Regal thronte, nahm drei Stück heraus und drückte sie ihm in die Hand. Dann brachte sie ihn wieder nach draußen.
    »Verschwinde, caro «, sagte sie, »bevor ich erwischt werde.«
    In einem Schleier aus Glückseligkeit schlenderte Romotschka davon. Mamotschka schnupperte besorgt und beeindruckt an seinem ganzen Körper. Er roch an seinen eigenen Händen. An der einen haftete der ölige Duft der Kekse. An der anderen der Duft von Laurentia. Sie roch nach Fett und gekochtem Essen, nach Schweiß und nach Frau, darunter ein schwacher Brandgeruch, als hätte sich alter Schweiß in Asche verwandelt.
     
    ~
     
    Aus Rücksicht auf Laurentia und Mamotschka verzichtete Romotschka von nun an weitgehend auf Raubüberfälle. Den Sommer hindurch verlegte er sich auf verschiedeneMethoden des Stehlens und Bettelns, wofür er nur Weiße Schwester und Grauer Bruder brauchte. Manchmal musste er an Brauner Bruder denken: immer freundlich und stets froh, sich stundenlang mit ihm herumzutreiben. Brauner Bruder wäre perfekt gewesen. Zwar machte es Grauer Bruder nichts aus, Menschen anzubetteln, doch er war unruhig und verdrückte sich manchmal, wenn Romotschka nicht aufpasste. Schwarze Schwester war aggressiv und für die Aufgabe schlecht geeignet. Er konnte sie einfach nicht davon abhalten, zu knurren.
    Trotz seines ungewöhnlichen Äußeren und Geruchs nahmen die Menschen in der Stadt kaum Notiz von Romotschka. Sie glitten mit geübter Blindheit durch den öffentlichen Raum, stumm und ohne Lächeln, mit scheinbar ziellosem Blick, die Gedanken nach innen gekehrt. In der Stadt zogen Kinder, die hübsch, sauber und gut gekleidet waren, manchmal einen Blick oder ein Lächeln auf sich, aber ungepflegte und stinkende Kinder wurden nicht wahrgenommen. Es gab zu viele, und der Anblick dieser verlorenen Kinder war so erschütternd, dass ein einzelner Mensch es nicht fertigbrachte, sie zur Kenntnis zu nehmen.
    Manche Leute gaben den Kindern Geld oder etwas zu essen, doch ohne mit ihnen zu sprechen oder das geringste Interesse an ihnen. Sie schienen diese Gesten einfach in ihren Tagesablauf einzubetten, genau wie einen Theaterbesuch. Romotschka zog es meist in die Gegend um den Metroeingang, wo er sich aufstellte, um diesen Trott zu unterbrechen, wo er die Blicke der regelmäßigen Spender einzufangen suchte, um sich ihnen ins Gedächtnis zu rufen. Sogar Weiße Schwester und Grauer Bruder kannten ein paar von den Menschen. Wenn sie die hübsch gekleidete hagere Frau oder den dwornik des Kriegsmuseums witterten, der nach Wodka und Karamellbonbons roch, wedelten sie leicht mit dem Schwanz. Weiße Schwester und Grauer Bruder waren große Hunde, und beide hatten einen gebogenen Schwanz und lange Beine. Sie hatten schöne Gesichter mit großen, dunklen, weit auseinanderliegen-den, schwarzumrandeten Mandelaugen, knallroten Zungen, strahlend weißen Zähnen und spitzen Wolfsohren. Von diesen wunderschönen Tieren erkannt und angebettelt zu werden, schmeichelte vielen Leuten.
    Romotschka ermutigte und zügelte die Hunde zugleich: Es gefiel ihm nicht, dass sie den Menschen nahekamen, doch ihre Freundlichkeit war bei der Nahrungsbeschaffung ein großer Vorzug. Er selbst spielte die Rolle des Herrchens und ging nie auf alle viere oder leckte und beschnupperte die Hunde. Er knurrte nur, wenn er dazu gezwungen war. Alle kannten ihn als den Jungen, der um Hundefutter bat, und manche Leute aus den Wohnblocks kamen sogar von sich aus, um ihm alten Kuchen, Brot, Fleisch und Knochen zu

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