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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Tess skeptisch. «Um Gewissheit zu erlangen, müsste man sie wohl alle ausgraben. Ich denke allerdings, wenn Hosius’ Bücher dort vergraben wären, hätte man irgendeinen Hinweis hinterlassen, damit sie nicht für immer verloren sind. Da stehen aber nur Namen, und keiner davon erscheint mir irgendwie auffällig.»
    «Okay. Es gibt also das Fresko und diese Krypta. Sonst noch was?»
    Tess schüttelte den Kopf. «Bevor wir gegangen sind, haben wir noch die übrige Kirche abgesucht. Wir haben nichts gefunden.» Während sie das sagte, fiel ihr etwas ein – etwas, das ihr vorhin im Hotel in den Sinn gekommen war, als sie sich online Hilfe bei der Übersetzung des Briefes geholt hatte. Sie wiederholte, was Reilly eben gesagt hatte. «Das Fresko.»
    Wie in Trance führte sie ihn zurück nach oben in die Apsis. Sie betrachtete nochmals das Gemälde und richtete ihre Taschenlampe auf die griechischen Buchstaben darüber.
    «Das ist wirklich seltsam», bemerkte sie beinahe flüsternd, «Verse aus einem Sufi-Gedicht hier in einer Kirche.»
    «Sufi?»
    «Eine mystische Strömung des Islam», erklärte sie. «In der Türkei sehr verbreitet. Früher jedenfalls, bevor der Sufismus in den 1920ern per Gesetz verboten wurde.»
    «Augenblick mal – ein muslimischer Spruch in einer Kirche?»
    «Nicht direkt muslimisch. Der Sufismus unterscheidet sich stark vom eigentlichen Islam. So stark, dass strenge Islamisten wie unsere saudischen Freunde und die Taliban seine Anhänger als gefährliche Häretiker verdammen. Sie fühlen sich von ihnen bedroht, weil der Sufismus sehr pazifistisch und tolerant und liberal ist – und weil es ihm nicht um Verehrung geht. Vielmehr geht es um die persönliche Erfahrung, darum, seinen eigenen Weg zu Gott zu suchen und nach spiritueller Ekstase zu streben. Rumi, der Mystiker, von dem dieses Gedicht stammt, war einer der Gründerväter des Sufismus. Er predigte, dass der Sufismus für Menschen aller Religionen offen sei und Musik, Dichtung und Tanz die Mittel seien, die Pforten zum Paradies zu öffnen und zu Gott zu finden – einem Gott, der kein strafender oder rächender Gott ist, sondern der Gott der Liebe.»
    «Klingt cool», bemerkte Reilly grinsend.
    «Ist es auch. Darum war Rumi in seiner Heimat sehr beliebt. Ungemein beliebt. Ich habe sogar mal gelesen, dass Sarah Jessica Parker ihre Aerobic-Übungen zu Rock-’n’-Roll-Versionen seiner Gedichte macht. Sie haben ihn zu einem New-Age-Guru stilisiert – das wird zwar der Eindringlichkeit und Tiefe seiner Schriften nicht gerecht, ist aber verständlich, wenn man bedenkt, dass er so etwas geschrieben hat wie
‹Meine Religion ist, durch die Liebe zu leben›.
Du musst zugeben – für einen muslimischen Prediger des 13. Jahrhunderts ziemlich radikal.»
    «Ich kann mir vorstellen, warum die Saudis nicht wollen, dass seine Lehre verbreitet wird.»
    «Es ist wirklich traurig. Fast tragisch. Diese Lehre könnte da draußen gerade jetzt eine Menge Gutes bewirken.»
    Reilly starrte wieder auf das Fresko. «Okay, aber Häretiker hin oder her, wir haben hier immer noch einen Islam-nahen Gedichtvers an einer tausend Jahre alten Kirchenwand. Und, wie du gerade gesagt hast, das ist reichlich seltsam. Was steht da eigentlich?»
    «Abdülkerim hat es uns vorgelesen.» Tess richtete die Taschenlampe erneut auf die griechische Inschrift über dem Fresko, rief sich die Worte des Byzantinisten ins Gedächtnis und übersetzte.
«‹Was den Schmerz betrifft, wie von einer Hand, die in der Schlacht abgeschlagen wird, sieh den Körper als Kleid, das du trägst. Die leidvollen, heroischen Taten eines Mannes und einer Frau sind dem Tuchmacher edel, wo den Derwischen der leichte Hauch des Geistes das Höchste ist.
›»
    Reilly zuckte die Schultern. «
‹Eine Hand, die in der Schlacht
abgeschlagen wird.›
Da hast du den Grund. Es gibt sicher nicht allzu viele Gedichte, in denen so eine Zeile vorkommt.»
    «Sicher. Aber Rumi starb 1273. Er muss das geschrieben haben, lange bevor Conrad seine Hand verlor.»
    Reilly dachte über die Verse nach. «Was bedeutet der Text eigentlich?»
    «Ich weiß nicht recht. Ich habe hier den ganzen Wortlaut, aus dem Internet.» Tess zog einen Stapel Ausdrucke aus ihrem Rucksack und suchte das richtige Blatt heraus. «Hier. Das Gedicht heißt ‹Leichte Brise›. Es geht so:
‹Was den Schmerz betrifft, wie von einer Hand, die in der Schlacht abgeschlagen wird, sieh den Körper als Kleid, das du trägst. Die leidvollen, heroischen

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