Dohlenflug
sie solche Angst hatte?«, fragte sie stattdessen.
Wegener lachte kurz auf.
»Ganz einfach: Ich habe ihr meinen Ausweis durch das Parterrefenster
gezeigt und gesagt, im Tagebuch von Julie sei ein weiteres loses
Parkettbrett unter ihrem Bett erwähnt worden, unter dem sich das
Schlachtmesser befände. Sie war erschüttert, dass ihre Tochter
nun – ebenso wie sie selbst – eine Mörderin sein sollte,
und hat darüber wohl ihre Angst vergessen. Sie hat mich sofort in
Julies Zimmer geführt.«
»Aber warum? Warum hast
du sie getötet? Sie konnte dir doch nicht gefährlich werden.«
»O doch! Sie wusste
nicht nur vom Gold, sondern kannte als Einzige neben Amanda auch das
Versteck, jedenfalls wird das in Häuslschmieds Brief indirekt
angedeutet.«
»Und wegen einer blöden
indirekten Andeutung ermordest du einfach einen Menschen?«
»Die Leute vom
Laderdinger Kreis vermuteten von Anfang an, dass es ums Gold ging. Auch
wenn man sich zunächst gegenseitig verdächtigte, hätte mir
die clevere Lotte mit ihrem Wissensvorsprung doch gewaltig in die Suppe
spucken können.«
»Und weshalb musstest
du Regenmandl beseitigen?«
Kotek konnte Wegener im
Gegenlicht der Taschenlampe nicht sehen, er dagegen beobachtete jede
Regung in ihrem Gesicht und weidete sich an ihrer Bestürzung.
»Tja, ihn hab ich
ebenso angerufen wie Marageter, er möge doch für eine Weile
abtauchen, andernfalls würden die Schweinereien auf dem Laderdinger
Alpl und die geheimen Gräber publik werden.«
»Aber Regenmandl war
schlauer als Marageter, nicht wahr?«
»Wie man’s nimmt.
Möglicherweise hat ihn Schleißheimer auf mich aufmerksam
gemacht, ich habe keine Ahnung. Noch vorgestern Nacht, als er in die
Ettenau abgehauen ist, hat er mir brühwarm erklärt, er würde
sich weder als Köder für die Polizei auf der Landkarte
herumschicken noch sonst wie erpressen lassen, denn er wisse genau, mit
wem er es zu tun hätte. Die Bemerkung war natürlich nicht
sonderlich schlau von ihm, umso weniger, als an seinem Range längst
ein Peilsender klebte, den ich mir aus der Asservatenkammer besorgt hatte.«
Kotek glaubte plötzlich
zu wissen, was Regenmandl auf Wegeners Spur gebracht hatte. Um das behördliche
Prozedere abzukürzen, hatte sie schon am Montag in der Zentrale der
Linzer Sparkasse nach Kunden mit problematischer Bonität an der
Zweigstelle Bad Hofgastein gefragt. Natürlich hatte man ihr keine
Auskunft erteilt, vermutlich aber Regenmandl über die Anfrage
informiert, der daraufhin selbst alle Kunden überprüft hatte,
die von Schleißheimer betreut worden waren und finanzielle Probleme
hatten.
»Du bist ihm in die
Ettenau nachgefahren und hast ihn ebenso erstochen wie die beiden anderen«,
sagte sie ihrem Kollegen auf den Kopf zu. »Wo hast du übrigens
gelernt, mit einem Schlachtmesser umzugehen? Bei uns sicher nicht.«
»Nein, diese Fertigkeit
verdanke ich den Erziehungsmethoden meines Vaters. Jedes Mal, wenn ich in
der Schule oder zu Hause was verbockt hatte, musste ich den
Fleischergesellen in der hauseigenen Schlachterei zur Hand gehen. Damals
haben wir ja nicht nur Schweine und Rinder aus eigener Zucht verarbeitet,
sondern auch die Tiere anderer Betriebe. Nach besonders arbeitsintensiven
Tagen wachte ich manchmal nachts neben meinem Bett stehend auf und
versuchte mein Kopfkissen zu erstechen.«
»Und wo liegt jetzt
Regenmandls Leiche? Irgendwo im Altwasser?«
»Allmählich
langweilst du mich mit deiner Fragerei«, sagte Wegener. »Und
Amanda, ich warte nicht länger. Ich zähle bis drei, wenn ich
dann noch immer nichts höre, dann erlebst du von der ersten Reihe fußfrei
aus mit, wie viel mir Tina wert ist. Eins … zwei … drei.«
Er zielte auf die Stirn der
noch immer ohnmächtigen Gendarmerie-Praktikantin, blickte dabei aber
Häuslschmied an. »Also, was ist? Hör ich was?«
Kotek glaubte nicht, dass er
schießen würde. Bisher hatte er immer mit dem diskreten
Schlachtermesser gemordet, außerdem konnte ein Schuss von etwaigen
Verfolgern gehört werden.
Vielleicht zögerte auch
Häuslschmied deshalb eine Spur zu lang, vielleicht hatte sie aber
auch – bedingt durch den Stress – einen ihrer rätselhaften
Aussetzer, oder Wegener hatte ohnehin vorgehabt abzudrücken.
Jedenfalls knallte es, und im Schein der Stablampe war auf der Stirn von
Hohenauer plötzlich ein kleines schwarzes Loch
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