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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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abgesehen haben sollen. Eine davon hat
     deshalb wahrscheinlich bereits zwei Mal gemordet. Sehen Sie es da nicht
     als Ihre Verpflichtung an, uns bei den Ermittlungen zu unterstützen?«
    »Ermittlungen sind
     Aufgabe der Exekutive, nicht meine.« Die Greisin hatte ihre Sprache
     wiedergefunden. »Außerdem scheint der Ausdruck Hort Ihre
     Phantasie über Gebühr zu beflügeln. Gemeint war damit nur,
     was mein Mann und ich im Lauf eines langen Lebens erarbeitet und
     zusammengespart haben: drei Häuser, einige Grundstücke,
     Wertpapiere, Sparbücher und Schmuck. Da mein verstorbener Mann und
     ich keine Kinder haben, scheinen manche Leute zu glauben, sie hätten
     Zugriff darauf, sobald ich die Erdäpfel von unten anschau.«
    »Frau Häuslschmied,
     nach Ihren eigenen Worten auf dem Anrufbeantworter ist Julie Heinrich die
     uneheliche Tochter Ihres verstorbenen Gatten«, leistete Jacobi
     seiner Lebensgefährtin jetzt Schützenhilfe. »Wenn das
     stimmt, dann hat sie ein Recht auf den Pflichtteil seiner
     Hinterlassenschaft – und möglicherweise sogar auf mehr, falls
     ein diesbezügliches Testament existiert, aber darum ging es in Ihrem
     Telefonmonolog ohnehin nur am Rande.«
    »Ja, am Ende des Gesprächs
     haben Sie gesagt, Sie würden das Versteck des Horts nie verraten und
     das Geheimnis mit ins Grab nehmen«, brachte es Kotek auf den Punkt.
     »So spricht man nicht über seine bewegliche und unbewegliche
     Habe, Frau Häuslschmied, so spricht man über einen verborgenen
     Schatz. Wenn Sie sich dazu nicht äußern wollen, können wir
     Sie natürlich vorläufig nicht dazu zwingen, aber halten Sie uns
     bitte nicht für Idioten.«
    »Warum nur vorläufig?«,
     fragte die Seniorin misstrauisch und schob das Kinn energisch vor.
    »Sollte sich
     herausstellen, dass dieser Schatz unmittelbar mit den Morden oder anderen
     Straftaten in Zusammenhang steht, dann können wir Sie in Beugehaft
     nehmen.« Kotek wusste, wie hanebüchen ihr Einschüchterungsversuch
     war und bekam dafür auch gleich die Quittung.
    »Machen Sie sich nicht
     lächerlich«, pfiff Häuslschmied sie an. »Mein Anwalt
     knallt Ihnen sofort eine Haftunfähigkeitsbescheinigung auf den Tisch,
     was soll also diese Drohung? Sie halten mich doch hier für eine
     Idiotin! Ich habe zwar hie und da diese … diese Aussetzer, aber
     deshalb bin ich noch lange nicht debil. Noch nicht! Und falls keine
     triftigen Gründe für eine Fortsetzung dieses Gesprächs
     vorliegen, betrachte ich es jetzt als beendet.«
    »Eine letzte Frage,
     Frau Häuslschmied«, probierte es Jacobi noch einmal. »Wer
     außer Regenmandl, Marageter und Salma Schleißheimer hat noch
     Kenntnis von der Existenz des Schatzes?«
    »Der Schatz, Herr
     Oberst, existiert nur in Ihrer Einbildung, und jetzt darf ich Sie ersuchen
     zu gehen.«

 
    21
    »HM, DAS WAR ZWAR ganz
     offensichtlich eine Pleite, aber ich bin gar nicht so unglücklich darüber,
     dass sie uns rausgeworfen hat«, sagte Jacobi zufrieden, während
     er sein Handy einsteckte und auf der Beifahrerseite in den Wagen stieg.
     Der Regen hatte inzwischen etwas nachgelassen. Haberstroh würde in
     einigen Minuten an Ort und Stelle sein und vom Wagen aus ein Auge auf die
     Villa haben.
    Kotek glitt hinter das
     Lenkrad des RS 4 und guckte Jacobi schräg an. »Und? Warum bist
     du darüber nicht unglücklich?«
    »Weil sich die Nebel um
     die beiden Mordfälle nun doch ein wenig zu lichten beginnen. Und eben
     deshalb möchte ich dich bitten, nach der Vernehmung der Czerwenkas
     und dem kurzen Briefing am Posten noch einmal hierher zurückzukehren.
     Jetzt fahren wir erst mal über Gadaunern zum ›Schlössl‹
     hinüber.«
    »Das ist erstens keine
     Antwort, und zweitens lässt mich die Häuslschmied nie wieder zur
     Tür hinein.« Kotek startete den Wagen, während Jacobi den
     Kopf schüttelte.
    »Das glaube ich nicht.
     Die tut bloß so widerborstig, weil sie Angst hat, obwohl sie gerade
     das heftig bestreitet. Aber nur ein Dummkopf oder ein Selbstmörder hätte
     in ihrer Lage keine Angst, und ich halte sie weder für das eine noch
     für das andere. Ist es dir nicht aufgefallen? Sie hat sich gegen den
     Polizeischutz nicht gewehrt, aber den Eindruck erweckt, als würde sie
     ihn nur notgedrungen dulden.«
    »Warum verhält sie
     sich so widersprüchlich?«
    »Ganz einfach:
     Einerseits hat sie Todesangst, andererseits hütet sie krampfhaft ihr
     Geheimnis, hinter dem ihrer Meinung nach nicht nur der Mörder,
    

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