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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Zu dieser Jahreszeit stecken wir bis über die Ohren in Arbeit, und ich helfe Miss Treadburn — meiner Chefin, einem goldigen Geschöpf — stets bei der Sommerbetreuung der Tiere aus. Jetzt verläßt einfach jeder Mensch die Stadt und gibt seine kleinen Lieblinge in Verpflegung. Ob Sie’s glauben oder nicht — ich hab in meiner Bude ein Paar deutsche Schäferhunde, sechs Wellensittiche und einen Affen, die Fische nicht gerechnet. Und dann das Pudelscheren! >Dolores<, sagte Miss Treadburn erst gestern zu mir, >im Pudelscheren kann Ihnen niemand in ganz London das Wasser reichen!< Daher — «
    »Ich hoffe doch, wir können einen Zeitpunkt bestimmen, der sowohl Ihnen wie den Tieren paßt«, wagte ich mich, wenn auch zweifelnd, vor.
    »Nun, vielleicht, Darling. Rufen Sie mich nochmals an. Oh, und nicht in Brighton, bitte ja, Darling? Ich könnte wirklich mal eine Abwechslung vertragen.«
    »Die Vereinbarung mit deiner Partnerin war verhältnismäßig leicht zu treffen«, setzte ich Miles einige Tage später auseinander, als er gerade daran war, seine zweite Schlafrunde auf dem Diwan anzutreten. »Die richtige Operationsstätte zu finden, bietet jedoch Schwierigkeiten. Warum zum Teufel mußt du dich auf eine Scheidung im Juli kaprizieren, wo es noch dazu aussieht, als würden wir demnächst eine Hitzewelle kriegen? Es ist absolut unmöglich, irgendwo an der ganzen Küste ein Doppelbettzimmer aufzutreiben. Zumindest in einem Hotel, wo es Kellner gibt, die einem das Frühstück ins Zimmer bringen.«
    »Wir werden selbstverständlich auch ein Einzelzimmer brauchen.«
    »Wozu um alles in der Welt?« fuhr ich ihn recht gereizt an. »Du gedenkst doch nicht unsere alte Großmama auf eine Meerwasserkur für ihren Rücken einzuladen, oder doch?«
    »Du wirst mich selbstverständlich begleiten«, verkündete Miles gelassen. »Du stellst dir doch nicht vor, daß ich diese äußerst ungewohnte und irgendwie beunruhigende Erfahrung ganz allein hinter mich bringe?«
    »Ich? Ich werde bestimmt nicht die Rolle eines Anstandswauwaus übernehmen.«
    »Ich habe die endgültige Ausführung des Plans sorgfältig durchgearbeitet«, fuhr Miles fort, ohne auf meine Worte zu achten. »Die Partnerin wird im Einbettzimmer schlafen, während du und ich das Doppelbettzimmer teilen. Am Morgen werden du und sie, nachdem die Heringe bereits bestellt wurden, rasch die Plätze wechseln. Sobald der Kellner draußen ist, kannst du zurückkehren und dich über das Frühstück hermachen.« Er holte sein übliches Lächeln hervor. »Wie du siehst, Gaston, es mangelt mir, wenn’s drauf ankommt, keineswegs an List. Es gelingt mir nur, meine Schläue für gewöhnlich hinter meinem entwaffnend aufrichtigen Äußeren zu verbergen. Rufe bitte weiter sämtliche Hotels an der Küste, die im Handbuch des Automobilklubs aufgenommen sind, der Reihe nach an. Selbstverständlich nur die mit vier Sternchen.«
    Das war wieder typisch Miles: sich vorzustellen, er könnte die ehelichen Bande wie ein schmutziges Hemd abstreifen und alles weitere mir überlassen. Doch wir haben heutzutage in England das große Malheur — mag es sich nun um Hotels oder Spitäler handeln —, daß zu viele Leute nach zu wenigen Betten jagen. Die Hotels bedauerten unentwegt, bis zur Dachtraufe komplett zu sein. Ich sah bereits Miles, Dolores und mich fröhlich auf den Klippen von Land’s End nächtigen.
    Dann aber stellte sich eine Reihe glücklicher Zufälle ein.

16

    »Sir Lancelots Lippenstift«, erklärte ich, »ist ein bißchen zu dick aufgetragen. Dafür wäre noch ein Hauch Lidschatten angebracht.«
    »Und sein Puder, Dr. Grimsdyke?«
    »Da und dort noch einen Tupfer, würde ich sagen.«
    Das hübsche Mädchen im rosa Overall ließ ihre Puderquaste über die Stirne des Chirurgen gleiten.
    »Grimsdyke«, sagte Sir Lancelot.
    »Sir?«
    »Ist es nicht eine für unser Zeitalter deprimierende Feststellung, daß allabendlich nicht nur Chirurgen, sondern auch Bischöfe, Anwälte, Industrielle und Mitglieder des Unterhauses hier sitzen und sich wie Revuegirls zurechtmachen lassen?«
    »Oh, das möchte ich nicht sagen, Sir.«
    »Ich frage mich«, grollte Sir Lancelot, »was Mr. Gladstone dazu gesagt haben würde.«
    Es war gar nicht so schlimm gewesen, den alten Knaben zum Fernsehinterview zu überreden. Vermutlich war er nun, da die Fischsaison sich dem Ende zu neigte, darauf erpicht, das Interesse der Öffentlichkeit für seine Idee der Wiederanpassung von Teenagern zu gewinnen. Obgleich

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