Doktor im Glück
Versicherungsuntersuchungen vornehme, schürft derzeit im brasilianischen Amazonasgebiet. Sie haben den Posten eines Betriebsarztes mit fünfjährigem Kontrakt vakant. Das Gehalt, das sie zahlen, würde dich sicher ansprechen. Und du sagtest eben, du brauchst Sonnenschein.»
«Aber nicht gleich ganze fünf Jahre lang.»
Miles begann wieder gereizt zu werden. «Ich muß schon sagen, Gaston, für einen Menschen in deiner Situation bist du überaus schwer zufriedenzustellen.»
«Na, ich weiß nicht recht. Wenn ich schon meine Seele verkaufen muß, möchte ich das um einen anständigen Preis tun.»
«Ich wollte, du würdest das Thema deines Lebensunterhalts endlich ernsthaft diskutieren!»
«War eben daran, dies zu tun, alter Junge. Kannst du mir vielleicht mit einem Vorschuß von zehn Pfund unter die Arme greifen? Mein plötzliches Scheiden aus Porterhampton hat mich um ein volles Monatsgehalt gebracht.»
«Du weißt, wie sehr ich gegen Anleihen unter Nahverwandten bin. Aber ich will es trotzdem tun, wenn du meinen Vorschlag annimmst, zu einem Psychiater zu gehen. Ich bin überzeugt, daß dir der auf die Beine helfen wird. Ich kann dich ohne Schwierigkeiten bei Dr. Punce anmelden, der die Eignungsteste für die Erdöl-Gesellschaft macht. Er ist direkt darauf spezialisiert, eigenwillige Gesellen zurechtzubügeln.»
Ich teile nicht die moderne Ehrfurcht vor Psychiatern, hauptsächlich deshalb, weil alle, die ich kenne, so angeschlagen sind wie ein Haufen weggeworfener Blumentöpfe. Aber der Tiefstand meiner Finanzen zwang mich, das Angebot anzunehmen.
«Du selber hast wohl keine ernsthaften Vorstellungen darüber, wie du deinen Lebensunterhalt bestreiten wirst?» fragte mich Miles, nachdem er das Scheckbuch weggelegt hatte.
«Ich hab noch ein paar medizinische Zeitungsartikel auf Lager. Außerdem denke ich dran, mich ein bißchen in Werbeslogans zu versuchen, so ähnlich wie .»
Miles zuckte zusammen.
«Gaston sucht einen neuen Posten?» fragte Connie, die eben mit dem Kaffee erschien. «Das ist doch kein Problem. Für einen so glänzenden jungen Mann wie ihn ist sicher überall Bedarf.»
Daß ein Arzt einen Psychiater aufsuchte, erschien mir ein bißchen würdelos. Wie wenn ein Feuerwehrmann sich an die Zentrale wendete, wenn sein Haus in Flammen stand. An den Psychiatriekurs im alten St. Swithin erinnerte ich mich nicht sehr gut, nur an jenen Nachmittag, da Tony Benskin aufgefordert wurde, eine junge Frau, die an Kopfschmerzen litt, zu hypnotisieren, und ihr, sobald sie im ausführenden Stadium war, suggerierte, die Bluse abzulegen. Tony Benskins hypnotische Kräfte enthalten wohl keine hochgradige Spannung, denn das Mädel versetzte ihm einen Tritt, daß er gegen die Kante des Instrumentenschrankes krachte. Es entstand einige Verwirrung, als der Chefpsychiater auftauchte und die Patientin schreiend und füßestampfend, den Arzt hingegen bewußtlos auffand.
Doch ich erschien pflichtgemäß am nächsten Nachmittag in Dr. Punces Ordination in der Wimpole Street. Er war ein großer, magerer Bursche mit gestreifter Hose, einem Pincenez an schwarzem Band und Backenbart. Ich wurde von einer blonden Assistentin eingelassen, die mich schon gleich am Anfang in ein peinvolles Dilemma setzte — unterzog ich sie der üblichen Oberflächenuntersuchung, könnte der Psychiater sich ein ungünstiges Bild von mir machen; tat ich es nicht, würde das Resultat vielleicht noch schlimmer ausfallen. Ich entschloß mich zu einem Kompromiß und fragte sie, wieviel Uhr es sei.
Ich ließ mich nieder, auf daß er in meinem Unterbewußtsein wühle, sozusagen mit jedem Schaufelstich psychopathische Würmer ans Tageslicht fördere.
«Sie behandeln wohl nicht viele Ärzte?» begann ich.
«Ich kann Ihnen versichern, daß sämtliche Berufsarten in meiner Kartei vertreten sind.»
«Psychiatrie ist des Lebens Würze, meinen Sie?» Ich lachte.
Aber auch er hatte keinen Sinn für Humor.
«Ihr Cousin hat mir mitgeteilt, daß Sie Schwierigkeiten haben, eine Ihnen zusagende Anstellung zu finden», fuhr er fort, indem er mir eine Zigarette anbot, wie es bei Psychiatern üblich ist.
Ich nickte. «Miles ist der Ansicht, ich sollte einen gesicherten Posten antreten. Obwohl ich, ehrlich gestanden, Unsicherheit vorziehe. Aber dies ist wohl ein Luxus in diesen auf allgemeine Wohlfahrt ausgerichteten Zeiten.»
«Hm. Ich werde nun eine Reihe von Worten aufsagen. Antworten Sie bitte
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