Doktor im Glück
Uferstraße Brightons. «Ich muß Ihnen gestehen, daß ich ja doch wegen meines Gatten beunruhigt bin.»
«Meinen Sie vielleicht», wagte ich mich vor, «jene Party, über die ich in der Zeitung las? Wo er den Maharadscha mit Champagner begoß?»
Sie nickte. «Und unter dem griechischen Millionär ein Feuerwerk hochgehen ließ. Von der Eiscreme ganz zu schweigen, die er der französischen Ballettänzerin in den Ausschnitt schüttete. Ich fürchte, Doktor, Aubrey erweckt manchmal den Eindruck, ein wenig kindisch zu sein.»
«Ist doch gewiß nur purer jugendlicher Übermut.»
«Ich schlösse mich gern Ihrer Ansicht an. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Doktor, wenn Sie ihn ein Weilchen im Auge behielten. Vielleicht sind Sie imstande, ihn etwas zu bändigen. Er gibt unendlich viel auf Sie, wie Sie wissen. Sie müssen sich selbstverständlich als unseren Gast betrachten.»
Ich erriet, daß die Nutbeams, wie so viele andere Leute in Monte Carlo, Geld in Ländern liegen hatten, wo man nicht diese ekligen Formulare ausfüllen muß, um es herauszubekommen.
«Ich kann mich wohl ein paar Tage freimachen», erklärte ich mich bereit, «wenn Sie noch immer überzeugt sind, daß ich der Richtige bin.»
«Aber Sie haben ja selbst schon einmal für jugendlichen Übermut Strafgeld gezahlt, nicht wahr, Doktor?» Lady Nutbeam lächelte. «Ich bemerkte in Long Wotton, daß Sie sich die Lektion zu Herzen genommen haben.»
Als die paar Tage verstrichen waren, ohne daß mich jemand zum Gehen aufgefordert hätte, wurde ich ein reguläres Mitglied des Nutbeamschen Haushaltes, wie der Chauffeur und der Kammerdiener. Wenn ich es näher bedenke, hatte ich ja schon immer danach gestrebt, Privatarzt eines reisenden Millionärs zu werden, obwohl dafür nicht mehr Chancen bestehen, als Privatscharfrichter eines solchen zu werden.
Da Seine Gnaden ein leicht zu behandelnder Patient war, verbrachte ich die Zeit damit, in der Sonne zu sitzen, mein Buch zu vollenden und mein Französisch etwas aufzupolieren — ich schmeichle mir,- das Zeug in mir zu haben für Dinge wie défense de cracher und crêpes Suzette.
«Garçon», sagte ich nach etwa einer Woche fließend, «apportez-moi une verre du bon vieux bière anglaise, s'il vous plaît. Und wenn das die Mittagsspeisenkarte ist, die Sie da haben, werde ich mal gratin de langoustines Georgette versuchen. Das ist so eine Art verhunzte Krabben, was?»
«Monsieur haben den richtigen englischen Sinn für Humor.»
«Erinnern Sie mich mal, daß ich Ihnen die Geschichte von l'évêque et le perroquet erzähle. Hat man der jungen Dame, die ich gestern abend im Sportklub kennenlernte, die Rosen geschickt?»
«Mais certainement, monsieur.»
« Jolli bon spectacle. Und, Kellner, noch was: sagen Sie dem Chauffeur, daß ich heut nachmittag den Wagen nehme. Möchte in Nizza ein paar Besorgungen machen.»
«Entendu, monsieur.» Na, ob nicht das Grimsdykesche Leben einen Aufschwung nahm!
Kaum hatte der Kellner die Terrasse mit den Überresten meines Gabelfrühstücks verlassen, tauchte mein Patient auf. Lord Nutbeam schien ausgezeichneter Laune zu sein und rauchte eine Zigarre.
«Mein lieber Doktor, wann werden Sie mir um Himmels willen wieder erlauben, einen Drink zu mir zu nehmen?» begann er wie schon so oft. «Hab eine so herrliche Zeit gehabt, als ich die Cocktails des Barmanns der Reihe nach durchkostete! War gerade bei dieser hochinteressanten Zusammenstellung von Tomatensaft und Wodka angelangt. Man hat so vieles nachzuholen im Leben!»
«Ab nächsten Montag dürfen Sie es wieder mit einem Glas vin blanc versuchen», sagte ich ihm streng.
«Aber, Doktor, bedenken Sie doch das Filmfestival! Morgen beginnt es, und ich möchte so rasend gerne für diese heiteren jungen Leute eine kleine Party geben. Bin noch nie mit einem richtigen Filmstar zusammengekommen, müssen Sie wissen. Der einzige, an den ich mich überhaupt erinnere, ist ein Hund namens Rin-tin-tin. Aber der wird natürlich nicht kommen können.»
Er bot mir eine Zigarre an.
«Wie ich höre, soll diese junge Dame da heute nachmittag, aus London kommend, im Hotel eintreffen», fuhr er fort, nach einem Magazin greifend, auf dessen Umschlag Melody Madder prangte.
Es war derzeit gar nicht so leicht, ein Magazin zu finden, auf dem sie nicht prangte. Sie war rothaarig, trug hautenge Kleider und machte mir — um es geradeheraus zu sagen — den Eindruck, an Hypertrophie der Brustpartie zu leiden. Aber dieses Leiden scheint in den
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