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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Muskeln sehr wehleidig war, jammerte, daß das Spritzen weh tue; aber schließlich konnte man schon ein wenig leiden, um sich seine Gesundheit zu erkaufen. Dann ereiferte er sich, zwang den Doktor, ein Glas zu trinken. Das Fräulein werde ihm doch nicht die Beleidigung antun und einen Fruchtsaft ablehnen. Er trug einen Tisch hinaus, und sie mußten unbedingt mit ihm anstoßen.
    »Auf Ihre Gesundheit, Herr Pascal, und auf die Gesundheit all der armen Teufel, denen es wieder schmeckt, seit Sie ihnen geholfen haben!«
    Lächelnd dachte Clotilde an die Klatschereien, von denen Martine ihr erzählt hatte, an den alten Boutin, den der Doktor umgebracht haben sollte. Also brachte er doch nicht all seine Patienten um, also bewirkte sein Heilverfahren wirkliche Wunder? Und in jenem warmen Strom der Liebe, der zu ihrem Herzen aufstieg, fand sie ihren Glauben an ihren Meister wieder. Als sie fortgingen, war sie wieder ganz zu ihm zurückgekehrt, er konnte sie nehmen, sie davontragen, nach Belieben über sie verfügen.
    Doch noch vor wenigen Minuten hatte sie auf der steinernen Bank beim Anblick der Dampfmühle über eine verworrene Geschichte nachgegrübelt. Hatte sich nicht dort, in diesen heute kohlegeschwärzten und mehlbestäubten Gebäuden, einst ein Drama der Leidenschaft zugetragen? Und die Geschichte fiel ihr wieder ein, Einzelheiten, die Martine erzählt, Anspielungen, die der Doktor selber gemacht hatte, das ganze tragische Liebesabenteuer ihres Vetters, des Abbé Serge Mouret, damals Pfarrer von Les Artaud, mit einem wilden und leidenschaftlichen, anbetungswürdigen Mädchen, das im Paradou wohnte.
    Sie gingen von neuem auf der Landstraße dahin, als Clotilde plötzlich stehenblieb und mit der Hand auf die ungeheure trübselige Weite wies, auf Stoppelfelder, niedrigwachsende Kulturen und noch brachliegendes Gelände.
    »Meister, war dort nicht einmal ein großer Garten? Hast du mir nicht diese Geschichte erzählt?«
    Pascal, noch voller Freude über diesen erfolgreichen Tag, zuckte zusammen, lächelte mit unendlich trauriger Zärtlichkeit.
    »Ja, ja, das Paradou, ein unermeßlicher Park, Haine, Wiesen, Obstgärten, Beete und Brunnen und Bäche, die sich in die Viorne stürzten … Ein seit einem Jahrhundert verwahrloster Park, ein Dornröschengarten, in dem die Natur wieder Herrscherin geworden war … Und du siehst, sie haben ihn abgeholzt, gerodet, eingeebnet, um ihn in Parzellen aufzuteilen und zu versteigern. Selbst die Quellen sind versiegt, es gibt dort nur noch diesen giftigen Sumpf … Ach, wenn ich hier vorbeikomme, zerreißt es mir das Herz!«
    Sie wagte noch zu fragen:
    »Haben sich nicht im Paradou mein Vetter Serge und deine große Freundin Albine geliebt?«
    Aber er war sich ihrer Nähe nicht mehr bewußt; die Augen in die Ferne gerichtet, verloren in der Vergangenheit, fuhr er fort:
    »Albine, mein Gott! Ich sehe sie wieder im Sonnenglanz des Gartens, wie einen großen Strauß mit lebendigem Duft, den Kopf zurückgeworfen, die Brust ganz geschwellt von Fröhlichkeit, glücklich über ihre Blumen, wilde Blumen, die sie in ihr blondes Haar geflochten, um ihren Hals, ihr Mieder, um ihre schlanken, nackten, goldbraunen Arme gewunden hatte … Und ich sehe sie tot wieder vor mir, erstickt inmitten ihrer Blumen, ganz weiß, mit gefalteten Händen, lächelnd auf ihrem Lager aus Hyazinthen und Tuberosen schlafend … Gestorben aus Liebe, und wie hatten Albine und Serge sich doch geliebt in dem großen verführerischen Garten, am Herzen der mitschuldigen Natur, und welch ein Lebensstrom, der alle falschen Bande hinwegschwemmte, welch ein Triumph des Lebens!«
    Verwirrt sah Clotilde ihn bei diesem leidenschaftlichen Geflüster starr an. Niemals hatte sie gewagt, zu ihm von einer anderen Geschichte zu sprechen, die im Umlauf war, von seiner einzigen, verschwiegenen Liebe, die er für eine Dame empfunden haben sollte, die jetzt ebenfalls tot war. Man erzählte, daß er sie behandelt habe, ohne je zu wagen, ihr auch nur die Fingerspitzen zu küssen. Bis jetzt, fast bis zu seinem sechzigsten Lebensjahr, hatten ihn die Arbeit und die Schüchternheit den Frauen ferngehalten. Doch man fühlte, daß er mit seinem ganz unverbrauchten, überströmenden Herzen unter dem weißen Haar der Leidenschaft noch fähig war.
    »Und jene, die gestorben ist, die man beweint …«
    Mit zitternder Stimme und heißem Erröten, für das sie keinen Grund wußte, verbesserte sie sich:
    »Hat Serge sie nicht geliebt, daß er sie sterben

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