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Doktor Proktors Pupspulver

Doktor Proktors Pupspulver

Titel: Doktor Proktors Pupspulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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und trug sein breitestes Lächeln zur Schau, während er von dem großen Blaskapellentreffen in Eidsvoll im Sommer träumte.
    Lise spielte Klarinette und schaute dann und wann zu Bulle hinüber, der mit seinen kurzen Beinen geradezu Laufschritt anschlagen musste, um mit den anderen mitzuhalten. Aber er spielte schwungvoll, seine Finger liefen ebenso munter über die Ventile wie sein Blick übers Notenpapier.
    Mittlerweile waren sie in der Sverdrupstraße angelangt und Bulle war so konzentriert, dass er die jaulenden Polizeisirenen nicht hörte, die sich auf einmal näherten. So sah er auch nicht den dicken, grollenden Hummer, der jetzt auf kreischenden Reifen um die Ecke geschossen kam und eine Vollbremsung hinlegte, als er feststellte, dass die Straße jetzt durch etwas gesperrt war, das nicht mal er abzudrängen oder zu überfahren wagte: Ein ganzer 17.-Mai-Umzug kam auf ihn zu. Und das Getöse der verschiedenen Schulkapellen jagte dem Fahrer eiskalte Schauer durchs Nervensystem, denn es klang wie der Jüngste Tag, ein Flugzeugabsturz und einkrachende Ruinen auf einmal.

    Und hinter dem Hummer kamen über den Daumen gerechnet einhundert Polizeiwagen mit Blaulicht und Lassos.
    Ein Mann sprang aus dem Hummer.
    Lise hörte zu spielen auf. »Das ist doch . . .«, sagte sie. »Das ist doch Herr Thrane.«
    Da hörte auch Bulle zu spielen auf und blickte hoch.
    Herr Thrane stand mitten auf der Straße und schaute sich in wilder Panik um. Alle Auswege waren versperrt. Offenbar war seine Flucht jetzt zu Ende.

    »Ha!«, schrie Herr Thrane. »Ihr kriegt mich nie, Idioten, Taugenichtse, Volltrottel!«
    Damit riss er einen Kanaldeckel neben sich auf und sprang in das Loch.
    »Ui!«, sagte Lise.
    Die Polizisten rannten herbei, schauten in die Kanalisation hinab, kratzten sich am Kopf und diskutierten.
    Bulle und Lise bekamen verschiedene Bemerkungen mit:
    »Und ich habe Asthma, ich ertrage den Geruch nicht.«
    »Und ich muss zu einem Eierwettlauf.«
    Also schoben sie den Kanaldeckel wieder an seinen Platz, kontrollierten, ob er auch wirklich fest saß, bliesen die ganze Polizeiaktion ab und winkten den 17.-Mai-Umzug weiter.
    Unten im Rohr lag Anna Konda und verspürte nagenden Hunger. Von der Straße weit dort oben hörte sie den Lärm der Kapellen und roch die heißen Wiener Würstchen. Und jetzt hörte sie ein Stück entfernt einen mächtigen Klatscher in der Kanalisation. Sie war so hungrig, dass sie diesem Geräusch nur unwillig folgte. Doch als sie hinschwamm, erblickte sie etwas, das ihr bekannt vorkam. Das letzte Mal, dass sie etwas Zweibeiniges gefressen hatte, war sie über den Fjord gerülpst worden. Aber das war nicht das einzige Bekannte. Etwas an diesem zweibeinigen Fressen erinnerte sie an ihre Zeit als kleine Anakondaschlange im Käfig in Hovseter. Hatte dieser fleischige, wienerwürstchenartige Mann nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem fetten Jungen, der sie damals immer mit Stöckchen gepikst hatte? Doch, doch, er war ihm ähnlich. Und jetzt sah die Anakonda, dass der Mann sie entdeckt hatte und dass das Wiedererkennen gegenseitig war. Der Mann sperrte den Mund auf. So weit er konnte. Ziemlich weit war das. Aber natürlich lange nicht so weit, wie Anna Konda jetzt ihr Maul aufsperrte.
    »Mannomann, schmeckt das gut!« Das rief Bulle, während er kaute. In der Hand hatte er ein dampfendes Wiener Würstchen im Brötchen. »Saugut!«, sagte Lise und biss in ihr Würstchen. Sie saßen auf dem Rasen vor der Festung Akershus und beobachteten die sieben mutigen Kanoniergardisten, die nervös von einem Bein aufs andere traten, während Doktor Proktor vor ihnen an einem Tisch stand, ein großes Einmachglas mit Doktor Proktors Ganz Gewöhnlichem Pupspulver im Arm. Die sieben hatten sich freiwillig zu diesem ehrenvollen Auftrag gemeldet.
    »Assistent Bulle!«, rief Doktor Proktor und schaute nach der Uhr am Rathausturm, die anzeigte, dass der Moment des Großen Und Fast Weltberühmten Königssalutes unmittelbar bevorstand. »Kannst du mir bei der Aufstellung helfen?«
    »Ja klar«, sagte Bulle und schluckte den Rest seines Würstchens hinunter. Er lief zum Tisch, ergriff die Suppenkelle, die dort bereitlag, und steckte sie in das Einmachglas.
    »Ich bin Bulle«, sagte er zu den Gardisten. »Was sagt man dazu?« »Stulle!«, sagte einer der Gardisten. »Pulle!«, ein anderer. »Schrulle!«, sagte ein dritter.
    »Schnabel halten«, sagte Bulle und blickte auf die Uhr. »Ach nein, doch nicht: Schnabel auf! Und alle Mann

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