Doktor Proktors Zeitbadewanne
versenken uns in der Seine.«
»Was!«, rief Bulle. »Kleingeld? Die Knickerlinge! Ich will großes Geld! Ich verlange Scheine!«
»Ruhig, Kinder«, sagte Juliette. »Es gibt vielleicht noch einen Ausweg. Aber das bedeutet, dass ihr gut zuhören müsst. Klar?«
Es schien klar zu sein. Jedenfalls hielten Bulle und Lise den Mund und sahen Juliette aufmerksam an, während ihre Ohren sich ein wenig nach vorn zu biegen schienen, wie um besonders gut zuhören zu können. Und du solltest das auch tun, denn jetzt erzählt Juliette etwas, das sowohl Bulles seltsames Erlebnis mit der Badewanne erklärt als auch, warum er auf einmal Norwegisch und Französisch verstand und wie Doktor Proktor verschwunden war und wie Lise und Bulle vielleicht – aber nur vielleicht – doch noch vor den Nilpferden und dem nassen Tod in der Seine zu retten waren. Aber das erfährst du erst im nächsten Kapitel.
9 . Kapite l
Doktor Proktor s Zeitbadewann e
uliette riss die Badezimmertür auf und deutete mit dramatischer Geste auf die Badewanne. Sie war noch bis zum Rand mit Wasser und Seifenblasen gefüllt, obwohl die Schaumschicht nach Bulles gelungener Arschbombe erheblich dünner war.
»Das«, verkündete Juliette mit bebender Stimme, »ist eine Zeitbadewanne. Mit dieser Badewanne kann man in Zeit und Raum reisen, wohin man will. Man muss nur Wasser einlassen, warten, bis die Zeitseife ordentlich schäumt, und untertauchen. Dann konzentriert man sich auf irgendeinen Ort und eine Jahreszahl plus Datum und die genaue Uhrzeit. Wutsch – nach sieben Sekunden kann man aufstehen und ist am Ziel. Man kann reisen, wohin man will, aber nicht mehr als ein einziges Mal. Das heißt, man bekommt nur eine einzige Chance, an genau diesem Ort die Vergangenheit zu verändern.«
»Genial!«, rief Bulle. »Wann genau hat Proktor das Dingens erfunden?«
»Als er hier in Paris studierte, kurz bevor er mich kennenlernte. Das heißt, Viktor...«
»Viktor?«
»Doktor Proktor«, sagte Lise. »Also Doktor Viktor Proktor.«
»Viktor Proktor?«, fragte Bulle ungläubig.
»Er muss ja einen Vornamen haben, wie alle anderen auch«, sagte Lise.
»Klare Sache«, sagte Bulle. »Doktor, zum Beispiel. Super Vorname.«
»Wie auch immer«, unterbrach Juliette sie geduldig. »Viktor erfand diese Zeitbadewanne, seine Hilfskraft hingegen die Zeitseife.«
»Erstaunlich«, flüsterte Lise.
»Hah!« Bulle verschränkte die Arme. »Glaubst du mir jetzt? Ich lag auf dem Grunde der Badewanne und dachte an die Rote Mühle im Jahr 1909, ja? Und wutsch...«
». . . warst du da«, sagte Lise. »Entschuldige, dass ich das nicht gleich geglaubt habe, Bulle. Du sagst ja sonst immer die Wahrheit.«
Bulle blickte Lise mit halb geschlossenen Augen gnädig an: »Ich bin nicht nachtragend, liebe Lise. Binde mir eine Woche lang die Schuhe, dann sind wir quitt.«
Lise sah ihn warnend an.
»Lasst gut sein, Kinder, schaut, dass ihr in die Badewanne kommt«, sagte Juliette. »Cliché ist gleich hier.«
»Funktioniert das auch sicher, wenn zwei Leute da drin sind?«, fragt Lise skeptisch und stieg vorsichtig in die Wanne. Bulle war schon hineingehüpft.
»Ja«, sagte Juliette beruhigend. »Viktor und seine Hilfskraft haben das im Selbstversuch erprobt.«
»Seltsam«, sagte Lise. »Da hatte er all die Jahre über diese fantastische Erfindung – warum hat er sie denn nicht benutzt?«
»Genau!«, sagte Bulle. »Er könnte reich und weltberühmt sein.«
»Weil die Zeitbadewanne ohne die Zeitseife unbenutzbar ist«, sagte Juliette. »Und nur seine Hilfskraft wusste, wie man sie herstellt. Sie bekamen Streit und entzweiten sich und ohne die Zeitseife hatte Viktor eine sinnlose Erfindung, auf die er kein Patent anmelden konnte. Das einzige bisschen Zeitseife, das Viktor besaß, nahm er in einem Glas mit nach Norwegen, als er damals aus Frankreich ausgewiesen wurde.«
»Das Glas in seinem Keller in der Kanonenstraße«, sagte Lise.
Juliette nickte und hielt das Einmachglas mit dem erdbeerroten Pulver hoch. »Als er jetzt vor zwei Monaten nach Paris zurückkam, hatte er ein wenig Zeitseife aus diesem Glas dabei und die hat er vor drei Wochen benutzt, als er genau da stand, wo ihr jetzt steht, und sich verabschiedete, um zum 3. Juli 1969 zurückzureisen, nach Inavel in der Provence, ins Grenzgebirge nach Italien, um die Geschichte zu verändern.«
»Die Geschichte verändern?«, riefen Bulle und Lise im Chor.
»Nichts weniger als das«, sagte Juliette. »Sein Plan war, nach Inavel
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