Dokument1
früh darüber.«
»Wenn du früh genug aufstehst«, sagte er, kaum interessiert.
»Ich gehe jetzt nach oben und lege mich vier Stunden hin, dann fahre ich wieder in die Werkstatt.«
»Wozu?«
Er stieß ein verrücktes Lachen aus und bewegte die Arme unter der Deckenbeleuchtung, als wollte er fliegen. »Wofür?
Was glaubst du wohl, wieviel Arbeit dort auf mich wartet?
Mehr Arbeit, als du dir vorstellen kannst.«
»Nein - du hast morgen Schule… ich… ich verbiete dir das, Arnie. Ich…«
Er drehte sich um und musterte sie, daß sie erneut zusammenzuckte. Das war wie ein schrecklicher Alptraum, der nie enden wollte.
»Ich werde zur Schule gehen«, sagte er. »Ich werde ein paar frische Sachen mitnehmen und sogar noch duschen, damit ich im Klassenzimmer nicht durch einen unangenehmen Geruch auffalle. Dann, nach der Schule, fahre ich wieder zu Darnell. Es gibt viel Arbeit, aber ich werde sie schaffen… ich weiß, daß ich es schaffen kann… obwohl diesmal ein großer Teil der Ersparnisse draufgehen wird. Außerdem muß ich mich bei Will ja noch mächtig ins Zeug legen.«
»Deine Hausaufgaben… deine Studien!«
»Ach so, ja.« Sein Lächeln erinnerte an das tote mechanische Lächeln einer aufziehbaren Spielzeugfigur. »Die werden natürlich darunter leiden. Ich will dir da nichts vormachen. Das bedeutet, daß ich dir einen Leistungsschnitt von 93 Prozent nicht mehr versprechen kann. Aber ich schaffe es schon, ich komme durch.«
»Nein! Du mußt an das College denken!«
Er kam an den Tisch zurück. Er hinkte wieder, ziemlich schlimm. Er stemmte beide Hände auf die Tischplatte und beugte sich langsam. Sie dachte: Ein Fremder… mein Sohn ist ein Fremder für mich. Ist das wirklich meine Schuld? Weil ich nur das Beste für ihn wollte? Kann so etwas möglich sein? Bitte, lieber Gott, laß das ein Alptraum sein, aus dem ich mit tränennassem Gesicht aufwache, weil er mir so wirklich vorkam.
»Zur Zeit«, sagte er leise und hielt ihrem Blick stand, »denke ich nur an Christine und Leigh und daß ich mit Will Darnell gut auskomme, damit ich den Wagen wieder so herrichten kann, daß er wie neu aussieht. Das College ist mir scheißegal. Und wenn du nicht aufhörst, auf mir herumzuhacken, gehe ich von der High School runter. Das wird dir wohl den Mund stopfen, auch wenn sonst nichts hilft.«
»Das kannst du nicht tun«, sagte sie. Ihre Blicke trafen sich.
»Das verstehst du doch, Arnold. Vielleicht verdiene ich deine… deine Grausamkeit…, aber ich werde deine selbst-zerstörerische Neigung mit allem bekämpfen, was ich habe.
Also hör auf damit, die Schule zu verlassen.«
»Aber ich würde es tun«, sagte er. »Ich will nicht, daß du dir einbildest, ich könnte es nicht. Im Februar werde ich achtzehn, und dann kann ich es allein tun, wenn du nicht sofort aufhörst, dich in meine Angelegenheiten einzumischen. Hast du mich verstanden?«
»Geh zu Bett«, sagte- sie schluchzend. »Geh zu Bett, du brichst mir das Herz.«
»Tatsächlich?« Das war für sie ein Schock, daß er darüber sogar lachen konnte. »Das tut weh, was? Ich weiß es.«
Er ließ sie allein, ging langsam auf die Treppe zu, und das Hinken zog seinen Körper leicht nach links. Kurz darauf hörte sie die schweren müden Schritte seiner Schuhe auf den Trep-penstufen - auch ein Geräusch, das schreckliche Erinnerungen an ihre Kindheit wachrief, als sie gedacht hatte: Das Monster geht zu Bett.
Ein neuer Heulkrampf überwältigte sie. Sie stand schwerfällig auf und ging zur Hintertür, um mit ihren Tränen ganz allein zu sein. Sie riß sich zusammen - ein geringer Trost, aber besser als gar keiner - und blickte hinauf zur Mondsichel, die sich durch ihren Tränenfilm vervierfachte. Alles hatte sich verändert - mit der Geschwindigkeit eines Taifuns. Ihr Sohn haßte sie; sie hatte es in seinem Gesicht gesehen - es war kein Anfall von Jähzorn gewesen, kein flüchtiges Haßgefühl eines Jugendlichen. Er haßte sie, und so sollte es doch mit ihrem guten Jungen nicht werden.
Nein, wirklich nicht.
Sie stand auf der Türschwelle und weinte, bis die Tränen liefen und das Schluchzen sich zu krampfhaften Atemstößen und Schulterbewegungen erweiterte. Die Kälte nagte an ihren nackten Beinen über den Hausschuhen und biß sich auch durch den Hausmantel. Sie ging hinein und die Treppe hinauf.
Unentschlossen stand sie fast eine Minute vor Arnies Tür, ehe sie hineinging.
Er war auf der Bettdecke eingeschlafen und hatte die Hose noch an. Er wirkte
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