Dokument1
sitzen und versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. Sie mußte doch nicht jedesmal auch zu ihm sagen, daß sie ihn liebte, wenn er es ihr sagte, oder? Er brauchte das doch nicht so bitter nötig für sein Selbstvertrauen, oder?
Arnie stand auf und ging zur Tür. Sie würde morgen rnit ihm ausgehen, und das allein zählte. Sie würden ihren Weihnachts-einkaufsbummel machen, den sie sich damals vorgenommen hatten, als diese Scheißer Christine demolierten. Sie würden sich bei der Hand halten und reden; sie würden einen schönen Tag verbringen, und sie würde ihm sagen, daß sie ihn liebte.
»Sie wird es sagen«, flüsterte er an der Tür. Doch unten, auf der linken Seite der Halle, stand Christine wie ein stummer und stupider Widerspruch, und ihr Kühler ragte vor, als wäre sie bereit, wieder auf die Jagd zu gehen.
Und in den untersten Schichten seines Bewußtseins meldete sich eine Stimme: Wie hast du dir den Rücken verletzt? Wie hast du dir den Rücken verletzt? Wie hast du dir den Rücken verletzt, Arnie?
Es war eine Frage, vor der er zurückschreckte. Er hatte Angst vor der Antwort.
34 Leigh und Christine
My baby drove up in a brand-new Cadillac, She said, »Hey, come here, Daddy,
I ain’t neuer comin back!«
Baby, baby, won’t you hear my plea?
Come on, sugar, come on back to mel
She said, »Balls to you, big daddy,
l ain’t neuer comin back!«
- The Clash
Es war ein grauer Tag, und es sah nach Schnee aus, aber Arnie hatte zweimal recht: Sie verlebten ein paar schöne Stunden, und er war nicht »unheimlich«. Mrs. Cabot hatte ihm die Tür aufgemacht, als Arnie läutete, und ihn ziemlich kühl empfangen. Es dauerte lange - ungefähr zwanzig Minuten -, ehe Leigh herunterkam, bekleidet mit einem karamelfarbenen Pullover, der ihre Brüste überaus reizend zur Geltung brachte, und mit einer neuen, hautengen moosbeerroten Hose, die ihre Hüften überaus reizend zur Geltung brachte. Diese unerklärliche Verspätung eines Mädchens, das sonst pünktlich auf die Sekunde war, konnte kein Zufall sein. Arnie fragte sie später danach, aber Leigh bestritt es, vielleicht mit ein wenig zu großäugiger Unschuld, aber jedenfalls erfüllte die Verspätung ihren Zweck.
Arnie konnte sehr charmant sein, wenn er mußte, und er setzte seinen Charme gezielt auf Mrs. Cabot ein. Als Leigh schwin-gend die Stufen herunterkam und sich die Haare zu einem Pony-Schwanz zusammenraffte, war Mrs. Cabot längst aufge-taut. Sie hatte Arnie ein Pepsi-Cola geholt und hörte ihm hingerissen zu, während er ihr Anekdoten aus dem Schachclub vortrug.
»Schach ist neben der Schule die einzig sinnvolle kultivierte Freizeitbeschäftigung«, sagte sie zu Leigh und lächelte Arnie wohlwollend zu.
»Laaangweilig«, trompetete Leigh. Sie legte einen Arm um Arnies Hüfte und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange.
»Leigh Cabot!«
»Entschuldigung, Mom, aber sieht er nicht süß aus mit Lippenstift? Nun warte doch, Arnie, ich nehme ein Taschentuch! Nicht mit den Fingern verreiben!«
Sie kramte in ihrer Handtasche. Arnie blickte Mrs. Cabot an und verdrehte die Augen. Natalie Cabot hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte. Die Versöhnung zwischen ihr und Arnie war vollkommen.
Arnie und Leigh fuhren zu Baskin Robbins, wo die anfängliche Sprödigkeit, die noch von dem Telefongespräch der letzten Nacht übrig geblieben war, endgültig schmolz. Arnie hatte auch vage befürchtet, daß Christine aufmuckte oder Leigh unterwegs eine häßliche Bemerkung über sie fallen ließe; sie war noch nie gerne in diesem Wagen gefahren. Beide Sorgen waren überflüssig. Christine schnurrte dahin wie eine teure Schweizer Uhr, und Leigh fand nur lobende oder freudig-
überraschte Worte für Christine.
»Ich hätte das nie geglaubt«, sagte sie, als sie den kleinen Parkplatz vor dem Eiscreme-Salon wieder verließen und sich in den Verkehrsstrom einfädelten, der sich auf die Monroeville Mall zubewegte. »Du mußt geschuftet haben wie ein Hund.«
»Es war nicht so schlimm, wie es dir vermutlich vorkam«, erwiderte Arnie. »Hast du was gegen Musik?«
»Nein, natürlich nicht.«
Arnie schaltete das Radio ein - The Silhouettes zirpten und paukten sich durch ihren Titel »Get a Job.«
Leigh schnitt eine Grimasse. »WDIL, o weh. Kann ich einen anderen Sender einstellen?«
»Bitte.«
Leigh suchte eine Pittsburgher Rock-Station und holte Billy Joel an den Lautsprecher. »Du magst recht haben«, gestand Billy gutgelaunt ein, »ich mag verrückt sein.«
Weitere Kostenlose Bücher