Dokument1
Junkins…«
»Über das Glas belügst du mich auch, obwohl ich keinen Schimmer habe, warum.«
»Sie würden sogar Christus auf dem Kalvarienberg verdächtigen«, sagte Arnie wütend. »Seit wann ist es ein Verbrechen, sich Ersatzscheiben zu besorgen, wenn einem jemand die Fenster einschlägt? Oder wenn man dafür bar bezahlt? Oder dafür Rabatt bekommt?«
»Seit nie«, erwiderte Junkins.
»Dann lassen Sie mich in Ruhe!«
»Was noch wichtiger ist - ich glaube, daß du mich anlügst, wenn du behauptest, du wüßtest nicht, was mit dem jungen Welch passiert ist. Du weißt etwas. Ich möchte wissen, was du weißt.«
»Ich weiß überhaupt nichts«, sagte Arnie.
»Und wie steht es…«
»Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen«, unterbrach Arnie den Detektiv. »Nichts. Tut mir leid.«
»Okay«, sagte Junkins und gab so rasch auf, daß Arnie sofort mißtrauisch wurde. Er suchte in den Taschen seines Sportjak-ketts, das er unter seinem Mantel trug, und holte seine Brieftasche heraus. Arnie sah den Revolver in der Schulterhalfter und nahm an, daß Junkins ihn absichtlich zeigen wollte. Er-holte eine Visitenkarte aus der Brieftasche. »Wenn du mir etwas mitteilen möchtest oder mit mir reden willst - egal, worüber -, bin ich unter einer dieser Nummern zu erreichen.«
Arnie steckte die Visitenkarte in seine Brusttasche.
Junkins wanderte noch einmal langsam um Christine herum.
»Eine ganz exquisite Restaurationsarbeit«, wiederholte er.
Dann sah er Arnie fest in die Augen. »Warum hast du die Kerle nicht angezeigt?«
Arnie ließ ein leises erschauerndes Seufzen hören: »Weil ich dachte, damit wäre die Sache ausgestanden«, sagte er. »Weil ich dachte, sie würden mich in Zukunft in Ruhe lassen.«
»Ja«, erwiderte Junkins gedehnt, »ich dachte, das könnte ein Grund dafür gewesen sein. Gute Nacht, mein Sohn.«
»Gute Nacht.«
Junkins ging ein paar Schritte, drehte sich um und kam wieder zurück.
»Denk darüber nach«, sagte er. »Du siehst tatsächlich aus wie ausgespuckt. Du weißt, was ich meine. Du hast eine sehr nette Freundin. Sie macht sich Sorgen um dich, und es tut ihr sehr leid, was mit deinem Wagen passiert ist. Dein Vater macht sich ebenfalls Sorgen. Ich konnte das selbst durchs Telefon hören.
Denk darüber nach und ruf mich dann an, mein Sohn. Du wirst hinterher besser schlafen können.«
Arnie spürte, wie etwas hinter seinen Lippen zu zittern anfing, etwas Kleines, Schmerzhaftes. Junkins’ braune Augen waren voller Mitgefühl. Arnie öffnete den Mund - nur der Himmel wußte, was er in diesem Augenblick gesagt hätte -, und dann spürte er einen entsetzlichen Schmerz im Rücken, so daß er sich unvermittelt kerzengerade aufrichtete. Und dieser Schmerz hatte zugleich die Wirkung einer Ohrfeige, mit der man einen Hysteriker behandelt. Er fühlte sich gleich ruhiger, klarer im Kopf.
»Gute Nacht«, wiederholte er. »Gute Nacht, Rudy.«
Junkins betrachtete ihn noch ein paar Sekunden lang, beunruhigt, und verließ dann die Werkstatt.
Arnie fing an, am ganzen Körper zu zittern. Es begann in seinen Fingerspitzen, breitete sich über die Unterarme bis zu den Ellenbogen aus, und dann war es plötzlich überall. Er tastete blind nach dem Griff der Fahrertür, fand ihn endlich und glitt in Christine, in die beruhigenden Gerüche des Wagens und der frischen Polster. Er stellte den Zündschlüssel auf Parkstellung, die Idioten-Lichter gingen an, und er tastete nach dem Radioknopf.
Dabei fiel sein Blick auf die pendelnde Ledertasche mit den Initialen R. D. L. Und im gleichen Moment kam der Alptraum der letzten Nacht mit schrecklicher Gewalt zurück. Der verwesende Leichnam saß dort, wo er jetzt saß, die leeren Augenhöhlen starrten durch die Panoramascheibe, die Fingerknochen krampften sich um das Lenkrad, das leere Grinsen des Totenschädels, als Christine auf Moochie Welch losging, während das Radio, auf den WDIL-Sender eingestellt, den »Letzten Kuß« von }. Frank Wilson und The Cavaliers spielte.
Da wurde ihm plötzlich schlecht - zum Kotzen schlecht. Der Brechreiz flatterte zwischen seinem Magen und seinem Kehl-kopf auf und nieder. Arnie rutschte vom Sitz, taumelte aus dem Wagen und rannte zum Waschbecken an der gegenüberliegenden Werkstattwand. Seine Schritte waren dröhnende Pauken-schläge in seinen Ohren. Er schaffte es gerade noch. Alles kam hoch. Er spuckte, bis nur noch saurer Speichel kam. Lichter tanzten vor seinen Augen. Seine Ohren dröhnten, und die Muskeln in seinen
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