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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Lenkrad gesessen hatte. Nun, was hatte das zu bedeuten?
    Wohin führte das alles?
    Allmählich schaltete sein Verstand auf andere Kanäle. Er dachte an seine eigene Schulzeit zurück, als er die Hauptrolle in einem bekannten Theaterstück gespielt hatte. Er spielte die Rolle jenes fanatischen erbarmungslosen Priesters, der Sadie Tompkins in den Selbstmord treibt. Es war ein Riesenerfolg gewesen, vielleicht der einzige Triumph seiner Schulkarriere, in der er weder in sportlicher noch in akademischer Hinsicht geglänzt hatte. Vielleicht war dieses Stück sogar der Höhepunkt seiner Jugend gewesen - sein Vater ein Trunkenbold, seine Mutter eine Schlampe und sein Bruder ein Versager, dessen einziger Triumph sein Heldentod irgendwo in Deutschland gewesen war, zu dem die hämmernden 8,8-Zentimeter-Flakgeschütze applaudierten.
    Er dachte an seine längst verflossene Freundin, eine blasse Blondine namens Wanda Haskins, reich gesegnet mit Sommer-sprossen, die sich in der Augustsonne besonders heftig zu vermehren pflegten. Sie hätten mit todsicherer Wahrscheinlichkeit geheiratet - Wanda war eines von den vier Mädchen, die Will Darnell tatsächlich gebumst hatte (er klammerte Huren aus). Sie war sicherlich die einzige, die er geliebt hatte (immer angenommen, es gab so etwas wie Liebe - und ähnlich wie bei den übernatürlichen Ereignissen, von denen er immer wieder sporadisch gehört, sie jedoch nie .als Augenzeuge selbst erlebt hatte, konnte er an der Existenz dieses Phänomens zwar zweifeln, es jedoch auch nicht eindeutig widerlegen); ihr Vater war jedoch bei der Armee gewesen, und Wanda war ein typischer Armee-Fratz. Und so war sie im Alter von fünfzehn Jahren -
    vermutlich nur ein knappes Jahr vor jenem mystischen Datum, wo sich das Gleichgewicht der Kräfte zu Ungunsten der Eltern auf die Seite der Kinder verlagert - mit ihrer Familie nach Wichita gezogen, und das war das Ende ihrer Affäre gewesen.
    Sie hatte einen bestimmten Lippenstift bevorzugt, und in
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    jenem längst vergangenen Sommer des Jahres 1934 hatte er geschmeckt wie frische Himbeeren, wenn Will Darnell, schlank, weitsichtig und ehrgeizig, sie küßte. Es war ein Geschmack, der ihn nachts bis in die Träume hineinverfolgte und ihn veranlaßte, die Hand um den begeisterungsfähigen Penis zu legen… und noch ehe Wanda Haskins zustimmte, hatten sie schon in Will Darnells Träumen diesen süßen Tanz zu zweit ausgeübt. In seinem schmalen Kinderbett, das viel zu kurz war für seine wachsenden Beine, hatten sie getanzt.
    Und als Will nun wieder an diesen Tanz dachte, hörte er auf zu denken und begann zu träumen, und als er zu träumen aufhörte, begann er wieder zu tanzen.
    Er erwachte ungefähr drei Stunden später aus einem Schlaf, der eigentlich nie die Grenze des Schlummers überschritt; er erwachte bei dem Geräusch der elektrisch betätigten Garagen-jalousie, die zur Decke gezogen wurde, während das Licht über der Garagentür anging - keine Leuchtstoffröhre, sondern eine ziemlich grelle 200-Watt-Birne.
    Will kippte mit seinem ganzen Gewicht den Bürostuhl nach hinten. Seine Schuhe berührten die Gummimatte unter dem Schreibtisch, und dann war es der Schock seiner prickelnden eingeschlafenen Füße, der ihn wirklich weckte.
    Christine fuhr langsam durch die Garage und schlüpfte in Box zwanzig.
    Will, der selbst jetzt noch nicht ganz von seinem Wachsein überzeugt war, beobachtete sie mit einer sonderbaren Teil-nahmslosigkeit, die dazu gehört, wenn man aus seinen Träumen gerissen wird. Er saß aufrecht hinter dem Schreibtisch, seine Arme auf die schmutzige Löschunterlage gestemmt, und beobachtete Christine.
    Ihr Motor drehte zweimal auf hohen Touren, und aus den chromblitzenden neuen Auspuffrohren sprühte blauer Rauch.
    Dann schaltete sich der Motor ab.
    Will saß regungslos flinter dem Schreibtisch.
    Seine Tür war geschlossen, aber die Sprechanlage, die sein Büro mit der Werkstatthalle verband, blieb stets eingeschaltet.
    Es war die gleiche Anlage, über die er Anfang August den Titelkampf Repperton-Cunningham miterlebt hatte. Die Mikrofone fingen nun das metallische Knacken ein, als der Motor sich abkühlte.
    Niemand stieg aus, weil niemand im Wagen saß, der aussteigen konnte.
    Er war derartigen Dingen gegenüber unvoreingenommen, weil er bisher nichts Unerklärbares erlebt hatte… nur, daß vielleicht gerade jetzt so etwas geschah.
    Er hatte gesehen, wie sie quer durch die Halle in die Box zwanzig fuhr und die automatische

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