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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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und ich bildete mir nur ein, noch ein bißchen Licht zu sehen. Weil ich es sehen wollte, schätze ich.
    Und… gerade eben… dachte ich, ich hätte ein Geräusch gehört.«
    Ihre Lippen begannen zu zittern, und sie preßte sie fest aufeinander.
    Ich sah auf meine Armbanduhr. Viertel vor sechs. Wenn alles nach Plan verlaufen war, befanden sich jetzt meine Eltern und meine Schwester mit Michael bei Leighs Eltern. Ich blickte durch Petunias Windschutzscheibe auf das dunkle, von wirbelnden Flocken erfüllte Rechteck der Werkstatteinfahrt. Ich konnte den Wind heulen hören. Ein dünner Schneebelag hatte sich bereits auf dem Betonboden aufgehäuft.
    »Du hast nur den Wind gehört«, sagte ich ein wenig verunsichert. »Er macht Geräusche, als würde draußen jemand umher-gehen und mit sich selbst reden.«
    »Vielleicht. Aber…«
    Ich nickte widerstrebend. Ich wollte nicht, daß sie die relative Sicherheit von Petunias Führerhaus aufgab, aber wenn sie jetzt nicht ausstieg, würde sie das vielleicht nie tun, und ich würde sie nicht aussteigen lassen, und sie würde dafür sorgen, daß ich sie nicht aussteigen ließ. Und dann, wenn und falls Christine überhaupt kam, brauchte sie nur im Rückwärtsgang wieder herauszufahren und auf eine günstigere Gelegenheit zu warten.
    »Okay«, sagte ich. »Du stellst dich in die kleine Nische rechts neben der Tür. Wenn sie kommt, wird sie vielleicht eine Weile draußen vor der Halle stehenbleiben.« Sie wird die Witterung aufnehmen wie ein Tier, dachte ich. »Laß dich davon nicht beeindrucken. Rühr dich nicht von der Stelle. Bleib ganz ruhig, und warte, bis sie hereinkommt. Dann drückst du auf den Schalter und machst, daß du hinauskommst. Hast du mich verstanden?«

    »Ja«, flüsterte sie. »Dennis, wird es auch funktionieren?«
    »Es sollte, wenn sie überhaupt kommt.«
    »Ich werde dich nicht wiedersehen, bis es vorbei ist.«
    »Ich schätze, nein.«
    Sie beugte sich zu mir herüber, legte mir sacht ihre linke Hand an den Hals und küßte mich auf den Mund. »Paß auf dich auf, Dennis«, sagte sie. »Aber bring das Ding um. Es ist wirklich keine Sie, Dennis - nur ein Es. Bring es um!«
    »Ich werde es tun«, erwiderte ich.
    Sie blickte mir in die Augen und nickte. »Tu es für Arnie«, sagte sie. »Befreie ihn von dem Ding.«
    Ich umarmte sie heftig, und sie drückte mich ebenso heftig an sich. Dann rutschte sie zurück auf ihren Sitz, stieß mit dem Knie gegen ihre kleine Handtasche und warf sie hinunter auf den Wagenboden. Einen Augenblick verharrte sie regungslos, den Kopf auf die Seite gelegt, einen erschrockenen, nachdenkli-chen Blick in den Augen. Dann lächelte sie, beugte sich vor, hob die Tasche auf und begann, rasch darin herumzukramen.
    »Dennis«, sagte sie, »erinnerst du dich an Morte d’Arthur?«
    »Ein wenig.« Einer der Kurse, die Leigh, Arnie und ich vor meinem Unfall gemeinsam besuchten, war > Klassiker der engli-schen Literatur<, und das erste Werk, das wir kennenlernten, war Malorys Morte d’Arthur gewesen. Warum Leigh mich jetzt daran erinnerte, war mir unerfindlich.
    Sie hatte gefunden, was sie suchte. Es war ein hauchdünner pinkfarbener Nylonschal - so ein Ding, das sich die Mädchen um den Kopf binden, wenn es neblig und feucht ist. Sie band es jetzt um den linken Ärmel meines Parka.
    »Was bedeutet das?« fragte ich und lächelte schwach.
    »Sei mein Ritter«, sagte sie. Sie erwiderte mein Lächeln - aber ihre Augen blieben ernst. »Sei mein Ritter, Dennis.«
    Ich nahm den gelben Schaumgummischrubber und salutierte unbeholfen. »Sicher«, sagte ich, »du brauchst mich nur Sir Gallaghmop zu nennen.«
    »Spotte nur, wenn dir danach zumute ist«, sagte sie, »aber faß es bitte nicht wirklich als Witz auf, okay?«
    »Okay«, erwiderte ich. »Wenn du Wert darauf legst, werde ich dein tugendhafter Ritter sein.«
    Sie lachte ein wenig, und das gefiel mir schon besser.

    »Und vergiß den Knopf nicht, mein Fräulein. Drück ihn so fest du kannst. Wir wollen doch nicht, daß die Tür mittendrin steckenbleibt. Es darf keine Fluchtmöglichkeit geben, okay?«
    »Okay.«
    Sie kletterte hinaus, und selbst heute noch brauche ich nur die Augen zuzumachen und sehe sie wieder, wie sie damals war, in diesem stillen Moment, kurz bevor alles ganz furchtbar wurde - ein schlankes, hochgewachsenes hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren, die die Farbe reinen Honigs hatten, mit schmalen Hüften, langen Beinen und diesen faszinie-renden nordischen Wangenknochen,

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