Dokument1
Dauer-sonnenbrand. Ein polterndes Rauhbein, wenn wir hinter ,dem Terminplan herhinkten, aber alles in allem ein recht umgänglicher Mensch. Ich suchte ihn in der Kaffeepause im Bauwagen auf, um zu fragen, ob Arnie sich den Nachmittag freigenommen hatte.
»Er hat um zwei Stunden Urlaub gebeten, weil er zu einer Beerdigung wollte«, erwiderte Brad, nahm dabei seine stahl-umrandete Brille ab und massierte die roten Druckstellen auf dem Nasensattel. »Nun sag bloß nicht, daß du auch frei haben willst. Ich verliere euch beide zum Wochenende, und mit den Nieten, die dableiben, schaffe ich das Pensum nicht.«
»Brad, ich muß Sie leider darum bitten.«
»Warum? Wer ist denn der Verblichene? Cunningham sagte, er hätte ihm einen Wagen verkauft. Ist das vielleicht ein Grund, zu seiner Beerdigung zu gehen?«
»Der Typ war kein Gebrauchtwagenhändler, Brad. Aber Arnie hat ein paar Probleme damit, und ich möchte ihn nicht gern allein dorthin gehen lassen.«
Brad seufzte.
»Okay, okay, okay, okay. Du kannst dir von eins bis drei wie er freinehmen, mußt aber heute die Mittagspause durcharbei-ten und Donnerstagabend bis sechs.«
»Klar, Brad. Vielen Dank auch.«
»Ich drück’ euch beiden die Stechuhr, als hättet ihr durchge-arbeitet«, sagte Brad. “Aber wenn jemand im Hauptbüro in Pittsburgh etwas davon erfährt, bin ich dran.«
»Sie werden schon nichts davon erfahren.«
»Tut mir leid, daß ich euch beide verliere«, sagte er. Er nahm die Zeitung wieder hoch und schlug den Sportteil auf. Solche Worte aus Brads Mund waren ein hohes Lob für uns.
»Es war ein Sommer, der sich auch für uns gelohnt hat.«
»Nett, daß du so was sagst, Dennis. Und nun verschwinde und laß mich meine Zeitung zu Ende lesen.«
Um ein Uhr nahm mich der Laster, der für uns Schotter fuhr, mit zu den Baracken mit den Umkleideräumen. Arnie hatte schon ein sauberes weißes Hemd an, als ich hereinkam, und wollte gerade seinen gelben Schutzhelm ins Spind legen. Er sah mich erschrocken an.
»Dennis, was suchst du denn hier?«
»Ich will mich für die Beerdigung umziehen«, sagte ich.
»Genau wie du.«
»Nein«, sagte er sofort, und dieses eine Wort sagte mehr über unsere Entfremdung aus als seine Einsilbrigkeit am Telefon, als ich ihn vom Kino aus angerufen hatte, oder als all die Sams-tage, an denen er sich nicht mehr sehen ließ. Dieses eine Wort machte mir klar, wie sehr er sich vor mir abgekapselt hatte und daß das nicht anders passiert war als das Ableben von LeBay -
plötzlich und unerwartet.
»Doch«, sagte ich, »Arnie. Ich träume nämlich von diesem Typ. Hörst du mir eigentlich zu? Ich träume von ihm. Deshalb gehe ich hin. Wir können gemeinsam fahren oder getrennt.
Jedenfalls gehe ich zu seiner Beerdigung.«
»Demnach war es also kein Witz, oder?«
»Wie bitte?«
»Als du mich vom Kino aus angerufen hast - hast du da schon gewußt, daß er tot ist?«
»Himmel, Arnie, wofür hältst du mich eigentlich? Traust du mir so etwas wirklich zu?«
»Nein«, sagte er nach einer langen Denkpause, nach reiflicher Überlegung. Vielleicht glaubte er, daß sich alles gegen ihn verschworen hätte. Kein Wunder, wenn man daran denken mußte, was Will Darnell, Buddy Repperton und vermutlich auch seine Eltern ihm angetan hatten. Aber nicht diese Kette von Enttäuschungen war der Anlaß für sein befremdendes Verhalten. Es war das Auto.
»Du träumst von ihm?«
»Ja.« Er stand da und dachte darüber nach.
»In der Zeitung steht, daß er auf dem Memorial-Friedhof beerdigt wird«, sagte ich schließlich. »Nimmst du den Bus, oder fährst du mit mir?«
»Ich fahr mit dir.«
»In Ordnung.«
Wir standen auf einem Hügel, ein Stück von der Grabstätte entfernt, weil wir uns nicht trauten oder keine Lust hatten, uns dem Trauergeleit anzuschließen, das nicht einmal aus einem Dutzend Leute bestand. Die Hälfte von ihnen trug Uniformen -
saubere und gebügelte Uniformen, aber irgendwie mürbe im Stoff. Man konnte die Mottenkugeln förmlich riechen. LeBays Sarg ruhte schon auf den Knüppelhölzern über der offenen Grube. Eine Flagge lag wie ein Tischtuch auf dem Sargdeckel.
Die heiße, wabernde Augustluft trug Wortfetzen aus dem Mund des Predigers zu uns empor: Der Mensch ist wie ein Grashalm, der wächst und dann mit der Sichel geschnitten wird. Der Mensch ist wie eine Blume, die im Frühling erblüht und im Sommer welkt. Der Mensch hängt an den Dingen, die vergehen.
Und als die Predigt zu Ende war, wurde die Flagge vom Sarg
Weitere Kostenlose Bücher