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Por-zellan zerschlagen hatten, das nicht mehr zu kitten gewesen wäre. Aber ich hatte auch das Gefühl, daß nicht nur ein Zimmer im Haus unserer Freundschaft für immer verschlossen blieb, sondern ein ganzer Flügel. Er hatte sich nicht nur gewei-gert anzuhören, was ich ihm sagen wollte, sondern auch Bedingungen festgelegt, wie wir Freunde bleiben konnten: Alles ist okay, solange du nach meiner Pfeife tanzt.
War ihm eigentlich bewußt, daß er sich damit die Haltung seiner Eltern aneignete? Nun, irgendwann würde er darauf stoßen.
Leigh kam heran, Regentropfen glitzerten in ihrem Haar. Ihr Gesicht war lebhaft gerötet, ihre Augen blitzten nur so vor Gesundheit und guter Laune. Sie strahlte eine naive und urwüchsige Sinnlichkeit aus, die mich fast in einen Schwindel versetzte. Aber nicht ich war das Objekt ihrer Aufmerksamkeit.
Das war Arnie.
»Wie ging es aus?« fragte Arnie.
»Siebenundzwanzig zu achtzehn«, sagte sie und fügte dann übermütig hinzu: »Wir haben sie regelrecht vernichtet. Wo habt ihr beide denn gesteckt?«
»Wir haben uns über Autos unterhalten«, antwortete ich, und Arnie warf mir einen amüsierten Blick zu. Vielleicht war er doch kein so hoffnungsloser Fall, wenn man sah, wie er Leigh nun anschaute. Er war im Begriff, sich Hals über Kopf in sie zu verlieben. Noch war es eher eine Schwärmerei, doch wenn die Dinge richtig liefen, würde sich daraus etwas Festes entwik-keln. Ich hätte wirklich gerne gewußt, wie es bei den beiden angefangen hatte. Arnies Gesicht hatte weitere Fortschritte gemacht, er sah sogar richtig attraktiv aus, allerdings eher auf eine intellektuelle Art, mit Brille und so. Er war nicht der Typ, den man an der Seite von Leigh Cabot erwartete, sondern für sie “Stellte man sich als idealen Partner eher einen amerikanischen High-School-Apoll vor.
Menschen strömten nun aus dem Stadion, unsere und die gegnerischen Spieler, sowie die Fans beider Mannschaften.
»Ihr habt also nur über Autos geredet«, wiederholte Leigh mit sanftem Spott. Sie sah zu Arnie empor und lächelte. Er erwiderte das Lächeln mit diesem Ausdruck seliger Verliebt-heit, was meinem Herzen wohltat. Denn ich wußte - ich brauchte ihn ja nur anzusehen -, daß Christine in solchen Momenten seinem Bewußtsein weit entrückt war, reduziert auf das, was sie war - ein Transportmittel.
Das gefiel mir.
18 Auf den Tribünen
O Lord, won’t you buy me a Mercedes-Benz?
My friends all drive Porsches,
l must take amends…
- Janis Joplin
In den ersten beiden Oktoberwochen sah ich Arnie und Leigh ziemlich häufig. Zuerst auf dem Korridor, wo sie zwischen den Unterrichtsstunden an seinem oder ihrem Wandschrank lehnten und sich angeregt unterhielten. Später händchenhaltend vor der Cafeteria und schließlich Arm in Arm auf dem Nach-hauseweg. Es war passiert. Nach der gängigen Sprachregelung an amerikanischen High Schools »gingen sie jetzt zusammen«.
Ich hielt das für eine zu banale Definition. So wie ich die Situation einschätzte, liebten sie sich.
Ich hatte Christine seit jenem Samstag, als wir die Mannschaft von Hidden Hüls schlugen, nicht mehr gesehen. Sie war offensichtlich zwecks weiterer Reparaturarbeiten in Darnells Werkstatt zurückgekehrt - vielleicht gehörte das zu Arnies Kuhhandel mit Darnell, damit dieser ihm einen Tag lang sein rotes Nummernschild überließ und eine Prüfplakette hinter die Windschutzscheibe klebte. Den Fury sah ich nie, Arnie dafür um so öfter… und noch mehr wurde über die beiden geredet, weil sie jetzt ein heißes Thema für den Schultratsch waren. Die Mädchen wollten wissen, was Leigh denn an ihm fand; die Jungs, immer praktischer, interessierte nur, ob mein komischer Freund bereits bis zu ihrem Höschen vorgedrungen war. Mich interessierten diese Dinge kaum, doch zuweilen beschäftigte mich die Frage, was Regina und Michael denn über diese heiße erste Liebe ihres Sohnes dachten.
An einem Montag Mitte Oktober aßen Arnie und ich unsere Lunchbrote auf der Tribüne unseres Footballstadions, wie wir es uns schon an jenem Tag vorgenommen hatten, als Buddy Repperton sein Messer gezogen hatte - Repperton war tatsächlich von der Schule geflogen. Moochie und Don waren mit einem dreitägigen Ausschluß davongekommen. Zur Zeit verhielten sie sich brav. Weniger brav verhielt sich unser Team, das zwei Spiele hintereinander verloren hatte. Unser Punktekonto wies l: 5 auf, und Coach Puffer befand sich wieder in dumpfem Schweigen.
Meine Lunchtüte war nicht mehr
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