Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Unsittlichkeit hervor. Ohne die Perlen wirkte er eher wie ein Erstgeborener, aber auch auf unheimliche Weise weniger menschlich – weder wie die eine Rasse noch die andere. Einige aus seiner Rasse ließen ein schmückendes »V« aus Pelz stehen, um die Perlen behalten zu können, aber Ahariel hatte sich fürs Äußerste entschieden.
»Man nimmt einen großen Topf«, sagte Hart und machte einen Kreis mit den Armen. »Stellt einen kleinen hinein, und dazwischen Sand. Den Sand macht man feucht, und dadurch bleibt Fleisch oder Bier kühl. Nur hier würde es nicht funktionieren. Zu feucht.« Seine Zähne klickten beim letzten Wort, als würde er ihm drohen. »Was ist mit dir, Yardem? Wie machen es die Tralgu?«
»Das Bier warm trinken«, antwortete Yardem mit einem breiten Hundegrinsen.
Die anderen lachten, aber Marcus nicht. Er war zum Trinken mitgekommen, weil er nicht noch einen Tag in den Baracken oder dem Kontor verbringen wollte, und eine Schenke am Hafen schien ihm die Gelegenheit zu bieten, etwas Interessantes zu erleben. Sobald er dann hergekommen war, hatten ihn der Andrang und das Stimmengebrüll in Unruhe versetzt. Es waren zu viele Leute und zu wenig Platz. Es gab keine Möglichkeit, eine Bedrohung kommen zu sehen. Die Anspannung in seinen Schultern und seiner Magengrube wurde immer größer.
Er musterte die Menge, suchte nach etwas, ohne zu wissen, was es war. Vielleicht nach einem vertrauten Gesicht. Cithrin oder Pyk. Oder Meister Kit. Ja, das war es. Er suchte nach Kit. Nicht – sagte er sich – wegen des verrückten Plans, von dem der Mann gesprochen hatte. Nur um einen Abend im Gespräch mit jemandem zu verbringen, der die Welt außerhalb von Porte Oliva erst kürzlich erlebt hatte. Jemandem, den die Welt noch nicht an Ort und Stelle festgenagelt hatte.
Er fragte sich, wohin Kit gegangen war. Was er genau jetzt tat. Es war schwer, ihn sich ohne die anderen Schauspieler vorzustellen. Kit hatte ein Leben und eine Familie aufgebaut und ihr dann den Rücken gekehrt, weil er das Gefühl hatte, dass er es tun musste. Es spielte keine Rolle, dass der Grund Unfug war, es war dennoch das Kennzeichen eines Mutigen in einer Welt voller Feiglinge. Marcus würde seine Arbeit hier nicht zurücklassen und weglaufen in irgendein wahnsinniges und dem Untergang geweihtes Abenteuer. Außer vielleicht …
Jemand legte ihm eine Hand auf die Schulter, und er blickte in das Gesicht von Qahuar Em auf. Das Halbblut hatte die Hautfarbe und die Züge eines Erstgeborenen, aber mit rauer Haut dort, wo sich die Jasuruschuppen nicht ganz ausgebildet hatten. Einst war er der Rivale und Liebhaber von Cithrin gewesen, und die Tatsache, dass er keine Kinder zeugen konnte, war das Einzige gewesen, das Marcus an ihm geschätzt hatte.
»Kann ich Euch Männern eine Runde ausgeben?«, fragte Qahuar Em und wartete dann auf die Antwort.
»Weshalb nicht?«, entgegnete Marcus und rückte auf der Bank zur Seite.
Qahuar rief einem Dienstjungen etwas zu und deutete auf den kleinen Haufen Wachen, ehe er sich hinsetzte. Sein Lächeln war sowohl einstudiert als auch aufrichtig. Es war schwer, diesen Mann nicht zu mögen. Das war sein Beruf.
»Die Magistra scheint die Saison zu verpassen«, sagte Qahuar.
»Sie hat dringende Aufgaben in Carse«, erwiderte Marcus. »Viel weiß ich nicht darüber. Wir sind doch nur arme Soldaten.«
Qahuar Em lachte, weil sie es beide besser wussten.
»Ich habe gehört, Eure Geleitflotte ist nicht so gut angelaufen, wie Ihr es geplant hattet.«
»Uns war klar, dass es ein paar Jahre dauern würde, ehe sie Gewinn für uns abwirft«, erklärte Qahuar Em mit einem Schulterzucken. » Ich habe gehört, dass ich Euch jedoch vielleicht ein wenig Dankbarkeit erweisen muss.«
»Das tut mir stets aufs Neue leid«, sagte Marcus. Sein Lächeln nahm den Worten zwar den Biss, aber nicht gänzlich.
Der Bedienstete kam, ein Tablett über dem Kopf, während er sich durch die Menge manövrierte, und brachte Krüge mit Apfelwein vom letzten Jahr für die fünf Männer. Er war süß und erfrischend, und schon der erste Schluck stieg Marcus zu Kopf, so dass er anschließend nur noch nippte.
»Man hört, dass die Hälfte der Piraten zwischen Cabral und hier umgezogen ist, weil der berühmte General Wester sie im Schlaf überfallen und all ihre Schiffe verbrannt hat.«
»Übertrieben«, sagte Marcus. »Ich habe einmal ein Boot verbrannt. Aber Ihr wisst ja, wie es mit solchen Geschichten ist. Bis nächstes Jahr werde ich das
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