Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
verfallen waren. Ein Band aus ewigem Grün unter diesen wogenden schwarzen Hügeln, das nun in etwa so nützlich war wie ein Angelhaken in einer Wüste. Und Marcus stellte fest, dass er sich nicht sonderlich dafür interessierte. Der Weg vor ihnen war nur zu eindeutig: nicht so weit nach Norden, dass man aufwärtsging, nicht so weit nach Süden, dass man nasse Füße bekam. Schon bald würden sie die inneren Ebenen erreichen, dann Suddapal, und dann ging es hinaus über das Innenmeer nach Lyoneia. Und was danach kam, lag zu weit vor ihnen, um es zu wissen.
Das Gras auf den Hügeln, über die sie ritten, war so grün, dass es schmerzte, es anzuschauen. So intensiv, dass Marcus manchmal den Eindruck hatte, er würde träumen oder halluzinieren, und die Sonne und die klare blaue Luft verschaff ten ihm das Gefühl, er könnte die Arme ausstrecken und alles in sich aufnehmen. Kleine Dörfer sprenkelten die Küste: Timzinae-Fischer, deren schwarze, insektenartige Cithin-Haut ergraut und aufgesprungen war, weil sie schon jahrelang dem Salzwasser ausgesetzt war. Wenn man ihnen Fragen stellte, erzählte Meister Kit eine Geschichte über einen Naturforscher der Königin von Birancour, der nach einer seltenen singenden Garnelenart suchte. Er erzählte sie so gut, dass Marcus sich manchmal selbst dabei erwischte, wie er sich fragte, ob sie in der nächsten Bucht auf die Tiere stoßen würden. Oder vielleicht war es auch die Macht von Meister Kits merkwürdigem Blut, das ihn so überzeugend werden ließ.
Man stellte ihnen jedoch weniger Fragen, als Marcus erwartet hatte. Viel häufiger bot man ihnen einfach eine Schale des gemeinschaftlichen Eintopfs an, der in jedem Fischerhafen das ganze Jahr lang gekocht wurde, zu dem jeder etwas aus dem täglichen Fang beitrug und dafür eine Schale erhielt, die schon geköchelt hatte, als der ein oder andere von ihnen noch gar nicht geboren war. Die Fischer der Küste waren mürrisch, mundfaul und freundlich. Die Frauen waren schön, abgesehen davon, dass sie Timzinae waren. Die Schuppen reichten allerdings mehr als nur aus, um Marcus davon abzuhalten, seinen Fehler aus Porte Oliva zu wiederholen. Und Meister Kit, der zwar wild kokettierte, schien nie so weit zu gehen, dass er im Bett einer Frau landete.
Suddapal bestand aus fünf Küstenstädten, die zusammengewachsen waren; die größte davon breitete sich schwarz und hellbraun vor dem unwirklichen Grün der Landschaft aus. Wo es Bauernhöfe hätte geben sollen, Schafe, Ziegen, fand sich ein breiter Streifen wilden Graslandes, unberührt und auch nicht zur Jagd genutzt, außer vielleicht bei religiösen Festen. Vom größten Platz aus führte eine Drachenstraße nach Osten, aber sie waren so weit nach Osten gelangt, wie sie gehen würden.
Was bedeutete, dass sie ein Boot finden mussten.
»Also seid Ihr Seeleute?«, fragte der Yemmu.
»Ein- oder zweimal hat man mich schon mit einem Tau hantieren sehen«, erwiderte Marcus.
»Mich hat man auch schon ein- oder zweimal beten sehen«, sagte der Mann, dessen Worte durch die riesige Masse seiner Hauer erstaunlich gut zu verstehen waren. »Das macht mich nicht zu einem Priester.«
Die Hafenanlagen von Suddapal breiteten sich vor ihnen aus, Molen ragten hinaus aufs weite blaue Wasser wie Brücken, die so lang waren, dass Marcus sich vorstellen konnte, nach Lyoneia zu laufen. Nach den Timzinae waren die Yemmu die am meisten verbreitete Rasse in Suddapal – stämmig, stark, furchterregend anzuschauen, aber zum Großteil freundlicher als Pyk Usterhall. Es war gut, daran erinnert zu werden, dass das lästige Wesen der Frau in ihr begründet lag und nicht in ihrem Volk.
»Es steht nicht zu erwarten, dass die Gewässer schwierig sind«, sagte Meister Kit. »Soweit ich weiß, ist das Schlimmste der Sturmzeit bereits überstanden, und die Karten, die ich gesehen habe, zeigen, dass uns die Strömung recht nah an unser Ziel bringt.«
»Karten, die Ihr gesehen habt«, brummte der Yemmu. »Also seid Ihr noch nie dort gewesen.«
»Nein.«
Der Mann nickte mit seinem riesigen Schädel. »Ihr beide seid Idioten«, sagte er.
»Freundliche Idioten allerdings«, erwiderte Meister Kit. »Und ich verfüge über eine gewisse Menge Gold.«
»Gold sinkt«, sagte der Yemmu. »Es macht mir nichts aus, Euer Geld zu nehmen, aber ich bekomme Schuldgefühle, wenn ich Idioten sterben lasse. Aber Folgendes werde ich tun, für einen kleinen Finderlohn. Nichts, was Ihr Euch nicht leisten könnt. Ich werde Euch ein
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