Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Bynal sein! Bynal Skestinin ist ein kleiner Junge mit einem Spielzeugschwert, der alle Rosen an Amada Masins Büschen geköpft hat.«
»Lady Kalliam«, sagte der Jüngste von Lord Skestinin, als er sich erhob. »Mein Vater wollte, dass ich Euch danke, dass Ihr uns in Eurem Haus empfangt.«
Das Mädchen nickte, sah aber nicht auf. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet, eine stoische und erniedrigte Maske. Eigentlich war die Dankbarkeit, die man Clara entgegenbrachte, kaum mehr als der allgemeine Umgangston, aber das spielte keine Rolle. Sie wussten alle, was keiner von ihnen aussprechen würde. Lord Skestinin und seine Familie sahen es als eine Geste des Mitleids an. Das Haus Kalliam ließ sich gnädig dazu herab, Sabiha zu empfangen. Der Großteil des Hofes von Antea würde es genauso sehen. Clara mochte es vielleicht nicht recht sein, aber es zu leugnen wäre gewesen, als hätte man versucht, den Wind durch Verachtung zu vertreiben.
Clara wählte ihre Worte mit Bedacht. »Mein ältester Sohn hat jahrelang unter Lord Skestinin gedient«, sagte sie. »Seine Kinder sind in diesem Haus immer willkommen.«
Der Junge verbeugte sich. Er hatte eine Duellnarbe auf dem Handrücken. Einen Moment lang war Clara überrascht, und dann nicht mehr. Er war alt genug für den Duellplatz, und das schon seit Jahren. Er war nun als Anstandsdame dabei, um die Ehre seiner Schwester zu wahren. Vermutlich hatte er irgendwann auch schon genau deswegen die Schwerter mit jemandem gekreuzt.
»Mutter«, sagte Jorey, »ich bin Sabiha formell vorgestellt worden. Ich werde morgen um Vaters Erlaubnis bitten.«
Clara spürte, wie ihre Augenbrauen sich hoben, und sie musterte das Mädchen von oben bis unten. Selbst im Sitzen und bedeckt von dem weit geschnittenen Umhang hätte sie einen Bauch nicht verbergen können. Besonders nicht bei einem zweiten Kind, und die Zeitspanne, die nötig war, um einen formellen Brief zu schicken, ihn zu empfangen und von Osterlingbrachen nach Camnipol zurückzukehren, ließ eine Schwangerschaft einfach nicht plausibel erscheinen. Sahiba schluckte; ihr Gesichtsausdruck war völlig nichtssagend. Jeder der Anwesenden kannte die Berechnungen, die Clara soeben durchgeführt hatte. Jeder erwartete sie.
»Das scheint sehr plötzlich«, sagte Clara. »Verlobungen können heutzutage einige Zeit in Anspruch nehmen.«
»Es macht mir nicht aus, wenn wir warten müssen«, wandte das Mädchen ein.
Der Schmerz auf Joreys Gesicht war deutlich, frisch und zornig. Das hier war also nicht der Einfall des Mädchens. Es kam von ihrem Sohn. Er wollte ihr diese Saison schenken. Er wollte, dass sie zu den Tänzen, Festen und Feuervorführungen ging, als Sabiha Kalliam und nicht als die in Ungnade gefallene Tochter von Lord Skestinin. In das Haus Kalliam einzuheiraten – und besonders in diesem Augenblick, da der Stern der Familie am Aufsteigen war – würde die Geschichte verändern, die die Leute über sie erzählten. Und wenn man das veränderte, veränderte man auch, wer sie war .
Es war das größte Geschenk, das ein junger Mann der Frau anbieten konnte, die er liebte.
»Jorey, mein Lieber«, sagte sie, »hast du nicht gesagt, dass Bynal sich für Pferde interessiert? Er würde sicher gern die braune Stute sehen, die dein Vater von unseren Ländereien mitgebracht hat.«
»Ich habe doch … also eigentlich …« Jorey presste die Lippen zusammen, bis alle Farbe daraus gewichen war. »Ja, Mutter.«
Als die Jungen fort waren, setzte sich Clara dem Mädchen gegenüber. Sie hatte ein gutes Gesicht, allerdings ausgezehrt. Es war nicht nur so, dass sie ein Kind geboren hatte, auch wenn das den Körper einer Frau weiß Gott auf eine Art und Weise verändern konnte, von der die Hebamme niemals sprach. Es war Kummer. Und Scham. Sie hatten sich in die Haut des Mädchens eingegraben wie Schmutz. Das war nicht verwunderlich.
»Lady Kalliam«, sagte das Mädchen. Die Pause dauerte fünf Herzschläge. Sechs. Tränen stiegen in den Augen des Mädchens auf, und Clara spürte, wie ihre eigenen Tränen antworten wollten. Sie blinzelte sie fort. Einfühlungsvermögen war zur rechten Zeit gut und schön, aber nicht jetzt.
»Sei ihm niemals dankbar«, sagte Clara.
Sabiha blickte verwirrt auf. Eine Träne löste sich, eine silberne Spur auf der Wange des Mädchens. »Meine Lady?«
»Jorey. Wenn du ihn liebst und er dich liebt, dann gibt es weiß Gott nichts, was euch beide aufhalten wird. Aber du darfst ihm nicht dankbar sein. Es wird alles
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