Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
über die Seite hinab. Ein feierliches Abendessen in einem Monat, um die offizielle Gründung der Stadt vor dreihundert Jahren zu feiern. Natürlich hatte es hier bereits früher eine Stadt gegeben, und noch früher ebenfalls, bis zurück zur Zeit der Drachen. Es gab Ruinen auf den Hügeln vor der Stadt, die aus Stein gehauen und beinahe schon wieder zu Stein verwittert waren. Aber vor dreihundert Jahren hatte jemand ein Stück Papier unterzeichnet, jemand hatte sich den Daumen geritzt und ein blutiges Zeichen auf die Seite gesetzt, und nun würden sie ein paar Schweine schlachten, ein wenig vom neuen Wein trinken und Reden halten.
Und natürlich würde sie hingehen. Auch wenn ihr Gegenspieler und einstiger Liebhaber Qahuar Em ebenfalls dort sein würde. Auch wenn der Abend langweilig und aufreibend sein würde. Sie würde hingehen, lachen, sich unterhalten und sich so benehmen, als verfüge sie über Macht. Wenn sie es nicht tat, könnte es jemandem auffallen, und wenn die Illusion, dass sie Einfluss hatte, einmal zerplatzt war, war sie nur schwer wiederaufzubauen.
»Danke«, sagte Cithrin. »Das ist alles.«
Die Kurierin verbeugte sich und trottete von dannen, ihre Perlen klickten. Cithrin zog in Erwägung, wieder nach oben zu gehen und vielleicht doch noch ihre Schminke aufzutragen, aber sie entschied sich dagegen. Ein Treffen im Kaffeehaus stand an, eine nichtssagende Formalie, zu der sie auch so gehen konnte. Sie verschloss sorgfältig die Tür.
Sie konnte eine Menge über den Zustand der Stadt erfahren, wenn sie durch die Straßen in der Nähe des Großmarktes ging. Die Nahrungsmittelverkäufer an den Ecken zeigten, welche Ernte gut ausgefallen war und welche enttäuschend. Die Zahl der Bettler, die von der Drachenstraße in die Stadt strömten, sagte etwas darüber aus, ob Karawanen zu erwarten waren oder ob der Verkehr in der Stadt nur aus Einheimischen bestand. Es war, als würde ein Kundiger jemandes Atem riechen und etwas über den Zustand seiner Leber erfahren. Cithrin machte es automatisch, wie sie es ihre ganze Kindheit lang getan hatte. Nur dass es jetzt keinen Magister Imaniel mehr gab, zu dem sie heimkommen und vor dem sie mit ihren Schlüssen prahlen konnte.
Pyk war nicht im Kaffeehaus, was einerseits ein Segen war, denn Cithrin konnte so ein paar Stunden damit verbringen, die Bankgeschäfte ohne ihr Beisein zu führen. Andererseits würde sie alles, was sie nun tat, später mit der übellaunigen Frau durchsprechen müssen. Sämtliche Gesichter am Tisch waren vertraut. Maestro Asanpur lächelte ihr zu und blinzelte mit seinem milchigen Auge.
»Einen Augenblick«, sagte er und ging nach hinten, und sie wusste, dass er nur Augenblicke später mit einem Becher frischen Kaffees und einem kaum gesüßten Honigröllchen zurückkehren würde. Sie setzte sich an einen Tisch an der Vorderseite, der über den Platz hinausschaute, und wartete. Maestro Asanpur brachte ihr genau das, was sie schon geahnt hatte, klopfte ihr dabei sanft auf die Schulter und ging langsam wieder zurück nach drinnen. Eines Tages, dachte Cithrin, würde er sterben, und das Kaffeehaus würde sich verändern. Es würde zu etwas anderem und Unbekanntem werden. Sie fragte sich, wie es sein würde.
Als er den Platz betrat, wusste sie, dass es der Mann war, auf den sie wartete. Sie hatte ihn nie getroffen und kannte ihn nur aus den Schreiben mit dem Angebot, die er bei der Bank hinterlegt hatte, aber er schritt mit einer Aura der Zielsicherheit einher. Für einen Dartinae hatte er breite Schultern, und seine Augen glühten heller als bei den meisten. Sein Hemd war aus Leder, und das Siegel eines Drachen war daraufgemalt. Als er zu ihrem Tisch kam, nickte sie zu dem Stuhl ihr gegenüber. Er setzte sich mit der Anmut eines Tänzers und beugte sich nach vorn, seine Ellbogen auf dem Tisch.
»Dar Cinlama, wie ich annehme«, sagte Cithrin.
»Magistra bel Sarcour«, erwiderte er und neigte den Kopf.
»Ich habe Euren Vorschlag durchgelesen. Ich fürchte, bei unserer Bank existiert kein Präzedenzfall, bei dem Expeditionen wie die gedeckt worden wären, die Ihr vorschlagt.«
»Das Risiko ist groß, das stimmt. Der Lohn jedoch auch. Als Seilia Pellasian den Tempel der Sonne gefunden hat, ist sie mit genug Gold und Edelsteinen zurückgekehrt, um für hundert Lebzeiten zu reichen. Sarkik Pellasian hat kein Gold gefunden, aber die Entwürfe in der alten Bibliothek sind das, was nun jeder in der Belagerungskunst einsetzt. Die Liste ist sehr
Weitere Kostenlose Bücher