Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
Vom Netzwerk:
schön lange Reise gemacht, um es nicht zu tun«, sagte sie.
    Auf dem Weg nach Carse hatte ihr die Reise die wenigsten Sorgen bereitet. Banditen, Piraten, Krankheiten, wilde Raubkatzen. Über all das hatte sie Bescheid gewusst und besser als die meisten verstanden, welche Risiken sie darstellten. Von Kindesbeinen an war sie damit beschäftigt gewesen, Risiken zu durchschauen. Wenn hundert Schiffe tausend Meilen hinter sich brachten, wie viele würde man verlieren? Im Sommer. Im Winter. An der Küste. Wenn sie das offene Meer nach Fern-Syramis überquerten. Wie oft wurden Karawanen hingemetzelt oder verschwanden einfach? Die statistischen Tabellen waren in ihrem Kopf, und noch präsenter waren die Werkzeuge, mit denen man diese Tabellen erstellte. Sie konnte Wahrscheinlichkeiten besser abschätzen als ein Spieler, und daher hatte die Reise keinerlei Schrecken beinhaltet.
    Das Aushändigen der Berichte war schlimmer gewesen. Sie wusste, dass es der Zweigstelle gut ging, hatte aber keine Ahnung, was gut genug sein mochte oder wie es den anderen Zweigen erging oder wie ihre improvisierte Zweigstelle in Porte Oliva die weitläufigeren Strategien der Dachgesellschaft beeinflusste. Es war nicht das Risiko, das ihr Angst machte, sondern ihre Unfähigkeit, es auszurechnen, ihm eine Zahl gegenüberzustellen. Sich im Unbekannten zu befinden war schlimmer, als in Gefahr zu sein.
    Und von all den Dingen, die sie in den langen Wochen, seit sie Porte Oliva verlassen hatte, vom Schlafen abgehalten hatten, war eines das Schlimmste gewesen: Wie konnte sie es schaffen, lange genug hierzubleiben, um die Dachgesellschaft für sich zu gewinnen? Sie war gekommen, um eine Aufgabe zu erfüllen, und sie wusste nicht, wie sie sich so gut in den Alltag des Geschäfts einschleichen sollte, dass sie davon absahen, sie zurückzuschicken.
    Als es so weit gewesen war, hatte es überhaupt kein Problem dargestellt. In Porte Oliva war sie eine Gallionsfigur, in Carse ein Kuriosum, und Komme Medean war mehr als froh, sie hier zu haben, wo sie gesellschaftlich für das Unternehmen rein gar nichts darstellte. Sonderbarerweise machte ihr das nichts aus. Sie hatte das Gefühl – ob es nun stimmte oder nicht –, dass Komme Medean gewillt war, dieses Spiel mit ihr zu spielen. Er wollte herausfinden, ob sie ihn bezaubern und beeindrucken konnte. Und dabei legte er ihr Hindernisse in den Weg.
    Zum Beispiel seinen Sohn.
    Als sie an der großen Jadestatue vorbeigingen, tat sich das Grab der Drachen vor ihnen auf. Es war ins Erdreich gegraben, und die Reihen des Grabes waren breiter als Straßen, krümmten und wanden sich wie das Bett eines tief eingegrabenen Flusses, aber zu vollkommen, um von richtigem Wasser geformt worden zu sein. Der Stein floss weiter als eine Meile hinaus, zehn Reihen tief, und in jeder Reihe befanden sich Gräber.
    Die Körper, wenn sie denn einst tatsächlich hier gewesen waren, waren schon seit Jahrhunderten fort. Aber die Jadealtäre der Drachen zeigten immer noch die Klauenabdrücke der Toten. Die meisten hatten drei große Zehen vorn und eine hinten, aber manche hatten vorn nur zwei. Im tiefsten Grab hatte sich ein einzelner Fußabdruck eines riesigen Drachen so tief in den Boden gegraben, dass er Cithrin beinahe bis zur Taille reichte. Spuren von Mineralien an den Seiten zeigten, wo sich der Regen gesammelt hatte, als wäre es ein ausgetrockneter Teich. Nun war er sauber und leer.
    »Mach schon, wenn du willst«, sagte Lauro Medean. »Es ist in Ordnung. Jeder macht das.«
    Cithrin lächelte, blickte sich um, und dann ließ sie sich in dem Fußabdruck nieder, legte sich hin und streckte die Arme über sich aus. Sie konnte die Ränder nicht mit Zehen und Fingerspitzen gleichzeitig erreichen. Sie stellte sich vor, wie der Drache über ihr durch den Himmel glitt und die Sonne verdunkelte. Einst war es so gewesen. Einst waren sie durch diese Lüfte geflogen, über diesen Klippen. Der Gedanke raubte ihr den Atem.
    Als sie aufstand, sah sie Lauros Grinsen.
    »Lustig?«, fragte sie und streckte die Hand aus. Er nahm sie – er hatte einen starken Händedruck – und half ihr wieder heraus. Sie machten sich auf den Rückweg.
    »Es ist nur so, dass ich hier aufgewachsen bin. Es beeindruckt mich nicht, weil es immer da gewesen ist. Es gefällt mir, wenn Leute es zum ersten Mal sehen. Ihnen bedeutet es etwas, das es für mich nie bedeutet.«
    »Das alles«, sagte sie und deutete auf die leeren Gräber und die Fußabdrücke der Toten, »ist

Weitere Kostenlose Bücher