Dolly - 02 - Wirbel in Klasse 2
flehend umher. Sie sah Alices hämisches Grinsen und war wütend. Sicher hatte Alice gewußt, daß Mademoiselle Rougier anstelle von Mademoiselle Dupont kommen würde. Und sie war ihr auf den Leim gegangen. Jedermann wußte, wie sehr Mademoiselle Rougier außer sich geraten konnte! Sie würde bestimmt an die Decke gehen!
Britta wußte weder aus noch ein.
Dolly sah ihr verzweifeltes Gesicht und faßte einen kühnen Entschluß. Sie stand auf, ging zum Katheder und griff nach den Zeichnungen. “Entschuldigen Sie bitte”, sagte sie, “ich habe das versehentlich hier liegenlassen.”
Es wäre beinahe geglückt. Aber nur beinahe. Die Mädchen beobachteten die Szene atemlos.
“Einen Augenblick mal”, sagte Mademoiselle Rougier. “Was hast du da?”
“Ach, nur ein paar Aufzeichnungen”, sagte Dolly unsicher. Mademoiselle warf einen Blick auf die Klasse. Weshalb machten alle so große Augen und lauschten so aufmerksam? Da war doch irgend etwas nicht in Ordnung!
Sie nahm Dolly die Zeichnungen aus der Hand. Ihr Blick fiel auf die erste Karikatur – jene, auf der sie sich anschickte, Mademoiselle Dupont mit einem Dolch zu erstechen. Sie starrte ungläubig darauf. Das war sie auf dem Bild – hager, dürr, knochig und bösartig dreinschauend.
Und noch dazu mit einem Messer in der Hand! Sie betrachtete die nächste Zeichnung. Da war sie wieder – diesmal mit einem Gewehr! O nein, das war zu viel! Sie betrachtete Zeichnung für Zeichnung. Immer sah sie sich selbst, wie sie die arme Mademoiselle Dupont verfolgte, die lieb und freundlich aussah. Diese war offensichtlich die Heldin, während man ihr selbst die Rolle der Schurkin zugedacht hatte.
“Unglaublich!” sagte Mademoiselle, nach Atem ringend. Dolly stand wie versteinert vor ihr. Britta war sehr blaß. Was für ein Pech! Oh, warum war sie nur so dumm gewesen, Alice in die Falle zu gehen!
Mademoiselle starrte ungläubig auf die Karikaturen
Mademoiselle wurde sich wieder der Gegenwart der Mädchen bewußt. “Scher dich auf deinen Platz”, fuhr sie Dolly an. Dolly flüchtete Hals über Kopf. Mademoiselle ließ den Blick über die Klasse schweifen. Sie betrachtete ein Mädchen nach dem anderen mit kalten, ärgerlichen Augen. “Wer war das? Wer hat die Unverschämtheit besessen, mir diese Zeichnungen vor die Augen zu bringen?”
Susanne erhob sich sofort und sagte: “Wir sind alle daran beteiligt, Mademoiselle. Aber es war für Mademoiselle Dupont bestimmt. Wir wußten nicht, daß Sie heute unterrichten.”
Das war das Allerschlimmste, was sie hatte sagen können. Mademoiselle war mit einem Sprung auf den Füßen, ihre Augen traten vor Ärger fast aus den Höhlen. “Was! Ihr wolltet diese Zeichnungen Mademoiselle Dupont zeigen? Ihr wolltet mit ihr gemeinsam über mich lachen?
Das also treibt sie hinter meinem Rücken? Gut, daß ich jetzt weiß, wie sie sich wirklich benimmt, diese schamlose Person! Das soll sie mir büßen. Ich werde zur Direktorin gehen – und zwar augenblicklich!”
Die Klasse verharrte in schreckerfülltem Schweigen. Britta war ganz schwach zumute.
“Mademoiselle!” begann sie. “Gehen Sie nicht zu Frau Greiling. Ich…”
Aber die Klasse ließ nicht zu, daß Britta alle Schuld auf sich nahm. Die Mädchen sprachen alle zugleich. “O Mademoiselle, es tut uns so leid! Bitte, melden Sie uns nicht!” – “Verzeihen Sie uns doch! Nur dieses eine Mal!”
Brittas bebende Stimme ging in dem Chor klagender Ausrufe unter. Mademoiselle rauschte bereits, von kaltem Zorn gepackt, zur Tür hinaus. Die Mädchen sahen einander entsetzt an.
“Alice, du wußtest, daß Mademoiselle Rougier die Stunde übernehmen würde”, rief Britta. “Ich sah, wie du Betty ein Zeichen machtest. Ich hätte Mademoiselle Rougier niemals diese Bilder gezeigt – das weißt du ganz genau!”
Welche Fehler Alice auch haben mochte, ehrlich war sie auf jeden Fall. Sie leugnete nicht. “Ich konnte nicht ahnen, daß sie deswegen ein solches Theater machen würde”, sagte sie ziemlich kleinlaut.
“Alice, du bist gemein!” rief Dolly wütend. “Du hättest dir denken können, daß du Britta in die Patsche bringst.”
“Reg dich nicht auf, Dolly”, sagte Susanne ruhig. “Mit Alice setze ich mich schon auseinander.”
“Ach, tust du das?” erkundigte sich Alice aufsässig. “Wenn du glaubst, du kannst mich einschüchtern, hast du dich geirrt, du Klassensprecherin und leuchtendes Vorbild, du braves Seelchen Susanne Hoppe!”
“Sei nicht albern” sagte Susanne
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