Dolly - 04 - Dolly, die Klassensprecherin
Peters, Will und Clarissa auf der Klippe an ihr vorbei. Sie ritten schnell und riefen sich fröhlich zu… Clarissa! Evelyn hatte gar nicht gewußt, daß sie Reitsachen mit hatte. Aber da ritt sie nun mit dieser gräßlichen Will und dem noch gräßlicheren Fräulein Peters! Evelyn konnte es gar nicht fassen.
Susanne wurde vorläufig Klassensprecherin.
„Ich werde in Wirklichkeit das Amt mit dir teilen“, sagte sie zu der kleinlauten Dolly. „In allen Dingen werde ich dich um Rat fragen. Und ich wette, du wirst bald wieder Sprecherin sein. Frau Greiling hat ausdrücklich betont, ich wäre nur vorläufige Sprecherin.“
Die Freundschaft ihrer Klasse tat Dolly sehr wohl. Die Zwillinge hatten sich äußerst kameradschaftlich benommen, dachte sie, obgleich Ruth wie üblich stumm geblieben war – nur Conny hatte geredet. Und Clarissa hatte fast geweint, als sie zu Dolly kam.
„Ich finde, Clarissa ist sehr nett. Wenn sie nur ihre Schüchternheit überwinden könnte“, sagte Dolly zu Susanne. „Ich mag sie gern. Was für schöne Augen sie hat – wie Wasser in einem Teich.“
Susanne lachte. „Du redest ganz poetisch. Aber ich kann Clarissa auch gut leiden. Evelyn scheint übrigens nicht recht zu wissen, was sie davon halten soll, daß Clarissa jetzt immer mit Will ausreitet. Ich wußte gar nicht, daß Clarissa eine so begeisterte Reiterin ist. Sie und Will schwatzen unentwegt über Pferde.“
„Nächste Woche ist Besuchstag!“ sagte Dolly. „Ach, Susanne, als ich so stolz war, Klassensprecherin zu sein, habe ich es mir nicht träumen lassen, daß ich mein Amt noch vor diesem Tag verlieren würde!“
Evelyns armes Herz
Für das Wochenende, an dem die Eltern zu Besuch kamen, wurden alle möglichen Sachen geplant und vorbereitet: ein Tennis-Match der vier besten Spielerinnen, Schwimm-und Tauchwettbewerbe und eine Vorführung von Volkstänzen.
„Und hinterdrein“, sagte Diana düster, „hinterdrein die Prüfungen!
Mir ist ganz schlecht, wenn ich daran denke!“
„Denke lieber daran, wie erleichtert du dann sein wirst!“ meinte
Britta.
„Ja – wie nach einem Besuch beim Zahnarzt“, warf Clarissa ein.
„Vorher ist man ganz trübselig, und danach fühlt man sich glücklich
und erlöst.“
Alle lachten. Sie wußten, daß Clarissa schlimme Stunden beim
Zahnarzt gehabt hatte.
Clarissa war mit Will weggeritten, und Evelyn kam sich ganz
ausgestoßen vor. Clarissa war eine hervorragende Reiterin und wurde
anscheinend mit jedem Pferd in den Ställen fertig – und sie hatte sogar
auf Donner reiten dürfen!
Evelyn fand die ewigen Pferdegespräche zwischen den beiden
uninteressant.
Als Will gerade wieder anfangen wollte, eine lange Geschichte von
„Blitz“ zu erzählen, dem Pferd eines ihrer Brüder, schaltete sich
Evelyn einfach ein.
„Höre, Clarissa“, sagte sie, „weißt du, daß wir heute nachmittag
Spazierengehen wollten?“
„Jetzt nicht“, sagte Clarissa. „Du, Will, ich muß dir einfach
erzählen, wie meines Vaters alte Stute einmal…“
So ging es endlos, bis Evelyn fast verzweifelte. Wäre Clarissa doch
bloß damals nicht weggegangen und mit Will ausgeritten!
Allmählich fing Evelyn an, sich vor der bevorstehenden Prüfung zu
fürchten. Sie war in den meisten Fächern sehr schwach, und weil sie
immer andere für sich lernen ließ und nur abschrieb, arbeitete ihr
eigenes Gehirn nur langsam, wenn sie selbst einmal nachdenken mußte. Und die Prüfungsarbeiten mußte sie ohne fremde Hilfe
schreiben.
Sie wußte genau: Fräulein Wagner würde darauf achten, daß sie,
Evelyn, weit genug von jeder anderen weg saß, damit sie nicht
abschreiben konnte!
Evelyn erwog ernsthaft, ob sie nicht vielleicht an die Bogen mit den
Prüfungsfragen herankommen und einen heimlichen Blick darauf
werfen könnte – aber sie wußte, daß sie immer eingeschlossen waren.
Evelyn dachte nicht etwa: Es wäre ein Unrecht – sie dachte bloß: Es
ist albern von mir anzunehmen, daß ich eine Gelegenheit hätte, sie
einzusehen!
Ob sie sich krank stellte? Konnte sie nicht über Hals-und
Kopfschmerzen klagen? Nein – die Hausmutter würde ihr einfach
nicht glauben, sondern ihr Fieber messen und sagen: „Meine liebe
Evelyn, du leidest wie gewöhnlich an Einbildung.“ Und ihr dann eine
fürchterliche Arznei geben.
Voller Neid dachte sie an Clarissas schwaches Herz. So etwas
müßte man haben – eine Sache, die einen vom Turnen und von diesem
schrecklichen Sport befreite! Das war wirklich etwas wert. Leider
befreite es einen nicht
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