Dolly - 10 - Wiedersehen auf der Burg
läßt.“
„So – er ist also Franzose?“
„Schweizer.“
„Hm.“
KlausHenning Schwarze bezahlte und erhob sich schweigend.
Stumm blieb er auch auf dem Heimweg. Und Dolly fiel allmählich
nichts mehr ein, über das sie hätte reden können. Sie war heilfroh, als
sie bei „Richard Löwenherz“ angekommen waren und es Zeit war,
sich zu verabschieden.
„Oh, was ist das?“ rief Dolly überrascht aus. „Mir scheint, mein
armer ,Richard’ hat eins aufs Dach bekommen!“ Vorsichtig nahm sie
die stachlig-grüne Kastanie, die mitten auf dem Autodach lag. „Sehen
Sie, sie ist noch heil. Wahrscheinlich ist sie noch nicht reif. Au!“ KlausHenning Schwarze nahm ihr die grüne Stachelkugel
behutsam aus der Hand.
„Das sind Sie, Dolly“, sagte er leise. „Verletzt jeden, der versucht,
ihr zu nahe zu kommen…“
Dolly wurde rot und begann, heftig nach ihrem Autoschlüssel zu
kramen.
„Hallo, ihr beiden! Schon zurück?“
Vor ihnen tauchte die junge Dame auf, die Dolly vorhin mit dem
jungen Lehrer beobachtet hatte.
„Ja, Niki, Fräulein Rieder hatte leider nur so wenig Zeit…“ „Hoffentlich ist nicht mein Bruder daran schuld“, sagte das
Mädchen lachend. „Oder hat er Sie so gelangweilt, daß Sie die Flucht
ergriffen haben? Nett, daß wir uns nun doch noch kennenlernen.
Neulich auf dem Fest waren Sie ja so belagert – und ich mußte
pünktlich heimgehen, da ich Frühdienst hatte am nächsten Tag.
Außerdem wollte er unbedingt mit Ihnen allein sein.“
Dolly hatte das Gefühl, als ob ihr Gesicht glühte wie eine reife
Tomate. Vor Verlegenheit wußte sie kaum, wo sie hinschauen sollte. „Ja… ich… ehem… wir sehen uns hoffentlich bald mal“, stotterte
sie, „ich muß mich jetzt leider verabschieden – hab’s eilig.
Wiedersehen! Und tausend Dank für den netten Nachmittag und die
schönen Blumen!“
„Die hat Niki für Sie zusammengestellt“, sagte KlausHenning
Schwarze. „Sie versteht mehr davon als ich, sie ist Floristin.“ „Lehrling kurz vorm Abschlußexamen“, verbesserte Niki und
hängte sich bei ihrem Bruder ein. „Er hat dafür gesorgt, daß ich eine
Lehrstelle in seiner Nähe bekam, damit er besser auf mich aufpassen
kann, nicht wahr, großer Bruder? Aber wir halten Sie auf. Auf
Wiedersehen – und kommen Sie gut nach Hause!“
„Wiedersehen.“
Dolly startete und trat so heftig auf das Gaspedal, daß „Richard
Löwenherz“ einen unwilligen Satz durch die Luft machte. Dann
brauste sie davon. Draußen auf der Landstraße hielt sie an und schlug
die Hände vors Gesicht. Hemmungslos heulte sie los. Was war sie
bloß für eine Idiotin! Warum hatte sie ihm nicht einfach vertraut?
Warum hatte sie nicht gefragt, wer die nette junge Dame war, mit der
sie ihn gesehen hatte! Aber nein, statt dessen hatte sie alles
zerschlagen! Sie hätte sich am liebsten geohrfeigt.
Wenn sie doch wenigstens nicht von dem Buch gesprochen hätte!
Beim Kaffee hatte sie es wie absichtslos aus ihrer Handtasche fallen
lassen und erzählt, es sei ein Geschenk für ihren Besuch heute abend.
Liebesgedichte für einen anderen Mann! Ich Trottel! Ich Hornochse!
Ich blöde Kuh! heulte Dolly. Aber da half nun alles nichts. Aus. Vorbei. Sie mußte sich damit abfinden.
Olly verwandelt sich
Olly war eines von Dollys größten Sorgenkindern. Nicht nur, daß sie ein Ausbund an Ungeschicklichkeit war und kein Tag verging, an dem sie nicht eine Tasse oder einen Teller vom Tisch fegte, einen Stuhl umwarf, ein volles Zahnputzglas vom Waschtisch stieß, eine ihrer Lehrerinnen anrempelte oder über eine Stufe stolperte. Nein, sie war außerdem noch unbeschreiblich freßgierig. Bei Tisch vertilgte sie doppelte und dreifache Portionen, jeden Pfennig Taschengeld legte sie in Süßigkeiten an und hamsterte, wo sie konnte, Eßbares.
Abend für Abend versuchte Dolly, ihr ins Gewissen zu reden. „Olly, überleg doch mal – du nimmst die vierfache Menge Kalorien zu dir, die dein Körper braucht! Kein Wunder, daß du immer molliger wirst! Ich versteh dich einfach nicht – du bist so unglücklich über deine Figur und bringst es trotzdem nicht übers Herz, weniger zu essen.“
„Ich kann nichts dafür!“ jammerte Olly. „Ich hab eben immer Appetit – ich halte es einfach ohne Essen nicht aus! Ich gebe mir ja Mühe – aber es klappt nicht! Ich muß einfach essen!“
„Versuch doch wenigstens, dir bei allem, was du ißt, klarzumachen, wieviel Kalorien du da in dich hineinstopfst. Vielleicht hilft dir das wenigstens, statt einer
Weitere Kostenlose Bücher