Dolly - 14 - KLassentreffen auf der Burg
ausgehungerter Wolf.
Am Anfang hatte sie noch versucht, durch Bemerkungen über das Essen auf sich aufmerksam zu machen.
„Haferbrei bringe ich einfach nicht hinunter. Und dieses dunkle Brot, von dem bekomme ich schreckliche Magenschmerzen. Bei uns gibt’s immer Toast zum Frühstück, ein Ei und etwas mageren Schinken oder Leberpastete.“
Oder: „Schweinefleisch, nein, das ist mir viel zu fett, das vertrage ich einfach nicht.“ „Erbsen? Nein danke, zu Hause mußte ich nie Erbsen essen.“ „Kohl? Also Kohl bringe ich wirklich nicht runter, mir wird schon schlecht, wenn ich ihn rieche!“
„Dein Pech“, sagte Evi, die neben ihr saß, dann nur und nahm sich mit Genuß die doppelte Portion. „Mir schmeckt’s hier immer super.“
Jetzt schwieg Alexa nur noch. Sie tat, als ob sie die kleinen Sticheleien gar nicht hörte. Sie lebte ein Leben für sich, bildete eine kleine graue Insel im bunten, lustigen Treiben der anderen. Waren die abends im Gemeinschaftsraum, zog sie sich in den Schlafsaal zurück, beschäftigte sich mit ihrem Gesicht oder ihrer Frisur, probierte Gesichtsmasken und Schönheitswässerchen, die ihr die Großmutter schickte, wickelte das Haar auf Lockenwickler oder bürstete es stundenlang und träumte davon, ein bewunderter Star zu sein oder der Sproß eines berühmten Königshauses.
Den anderen war es am liebsten, wenn sie nicht da war. Alexa konnte einem die beste Laune verderben. Und die Stimmung im Gemeinschaftsraum der Ersten war meistens auf dem Höhepunkt.
„Kinder, jetzt sind wir schon so lange hier und haben noch keinen einzigen Streich gemacht“, sagte Babsi an diesem Abend. „Jetzt wird’s aber höchste Zeit!“
„Au ja! Einen Streich!“ jubelten die Mädchen. „Und? Hast du schon eine Idee?“
„Vielleicht…“ Babsi machte ein geheimnisvolles Gesicht. „Ich möchte mich nämlich an jemandem rächen, der mich gräßlich und gemein behandelt hat und den ich aus tiefster Seele hasse! Er hat mir einen Fünfer gegeben und heute sogar einen Sechser, das ist einfach ungerecht! Juanita hat fast genauso viele Fehler und hat einen Vierer!“
„Du meinst Herrn Schwarze?“
„Ja! Er ist ein herzloses Ungeheuer!“
„Ich weiß nicht…“, meinte Regine zweifelnd. „Er ist doch sehr nett, und er sieht so unheimlich gut aus, finde ich.“
„Deswegen ist er wahrscheinlich so kalt und hochmütig. Habt ihr nicht gehört, was er vor der ganzen Klasse zu mir gesagt hat, als er uns die Aufsätze zurückgab? ,Ich möchte dir dringend empfehlen, dein Sprachbuch aus der zweiten und dritten Klasse der Grundschule noch einmal gründlich zu studieren. Deine Rechtschreibung und deine Grammatik sind einfach katastrophal!’ Und bei Juanita? Da hat er nur gesagt: ,Wirklich sehr ordentlich!’ Na? Ist das vielleicht gerecht?“
„Juanita beherrscht unsere Sprache noch nicht!“ verteidigte Cornelia die Freundin. „Es ist für sie eine Fremdsprache.“
„Egal. Jedenfalls möchte ich mich rächen.“
„Du willst, daß wir ihm einen Streich spielen? Und was willst du tun?“ fragte Evi aufgeregt.
„Hört zu. Morgen nachmittag fährt Herr Schwarze mit seiner Frau in die Stadt. Zwei Mädchen aus der Vierten haben Babysitterdienst. Wenn sie nun mit dem Baby im Wohnzimmer sind, müssen wir sie irgendwie rauslocken, damit wir ungesehen ins Schlafzimmer kommen. Dann werden wir blitzschnell seinen Schlafanzug zunähen und ihm Juckpulver ins Bett streuen. Der wird eine Nacht haben!“
Die Mädchen kicherten. Das war ja eine tolle Idee. Aber Juckpulver ins Bett? War das nicht ein bißchen gewagt?
„Ich weiß was Besseres!“ meldete sich Hannelore zu Wort. „Juckpulver finde ich gemein. Aber das hier! Hab’ ich extra für solche Zwecke mitgebracht!“
Sie holte etwas aus ihrem Schubfach und hielt es Fanny unter die Nase. Die kreischte auf.
„Eine Spinne! Igitt!“
„Sieht doch aus wie echt, oder?“
„Die ist ja aus Gummi! Super! Man könnte meinen, sie sei lebendig. Spitze, die legen wir ihm ins Bett!“ jubelte Babsi und hüpfte vor Aufregung in die Höhe.
Was sie den anderen verheimlichte, war, daß sie ganz schrecklich in ihren Deutschlehrer verliebt war. Er war der Held ihrer heimlichen Träume, während des Unterrichts ließ sie ihn nicht einen Moment aus den Augen, sie himmelte ihn an und warf ihm schmachtende Blicke zu, wo immer er ihr begegnete. Und im stillen war sie fest davon überzeugt, daß auch sie ihm nicht gleichgültig war.
Natürlich durfte er sich das nicht anmerken lassen.
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